Verführe niemals Deinen Mann
an der Küste entlangschlängelte. An der Strecke gab es mehrere dieser Plattformen, wo Touristen anhalten und ihr Auto parken konnte, um Fotos zu machen.
In einer anderen Situation hätte auch Julie die außergewöhnliche Schönheit des Ausblicks bewundert. Aber heute sah sie nur die dunklen Wolken, die am Horizont aufzogen, und das stahlgraue Meer, das sich endlos weit vor ihr erstreckte. Es kam ihr vor, als ob die ganze Welt plötzlich in ein Schwarz-Weiß-Foto verwandelt wäre. Und genauso würde Travis ihr geheimes Treffen hier beurteilen: schwarz und weiß.
Freund und Feind.
Wenn er herausbekäme, dass sie sich aus freien Stücken mit Jean Claude traf … „Denk bloß nicht drüber nach, Julie“, mahnte sie sich selbst.
Mit voller Absicht sah sie nicht zum Highway und zum Wald herüber. Dort konnten möglicherweise Reporter und Fotografen stecken, die sie mit ihren Teleobjektiven und Richtmikrofonen anpeilten. Nein, sie litt nicht unter Verfolgungswahn – aber in den vergangenen zwei Wochen hatte sie so viel journalistische Hartnäckigkeit erlebt, dass sie alles für möglich hielt.
Deshalb hatte sie sich auch hier, weit weg vom Weingut und von der Stadt, mit Jean Claude verabredet. Vielleicht war das wirklich eine dumme Idee, aber sie brauchte einfach das Gefühl, dass sie aktiv wurde, etwas unternahm.
In diesem Moment kam ein Auto herangefahren und hielt neben ihrem. Alles in Julie spannte sich an, als sie sah, wie Jean Claude aus seinem Zweisitzer-Sportwagen stieg. Er ließ sich dabei alle Zeit der Welt und wirkte völlig entspannt.
„Neues Auto?“, fragte sie. Und was für eins! Jean Claude hatte schon immer großen Wert auf Pomp und Pracht gelegt. Mit Vorliebe und wachsender Begeisterung hatte er schon früher immer von seinem Großvater erzählt, der irgendeinem – allerdings offenbar eher niederen – Adelsgeschlecht angehört hatte. Kein Zweifel, er stand gern im Mittelpunkt – und jetzt war er im Mittelpunkt des Medieninteresses. Das alles schien Julie völlig überzogen, denn schließlich waren Travis und sie keine Filmstars, auch wenn Travis als erfolgreicher Geschäftsmann und Spross einer angesehenen Familie durchaus eine gewisse Bekanntheit genoss. Auf jeden Fall fand Jean Claude für seine „Enthüllungen“ ein offenes Ohr bei den Klatschblättern. Sogar von Fernsehsendern war er schon interviewt worden und hatte sich natürlich auch dort als schmählich verlassener Liebhaber präsentiert.
Alles auf ihre Kosten. Er machte Travis und ihr das Leben damit zur Hölle.
„Ja, der Wagen ist ganz neu“, sagte er und fuhr zärtlich mit einem Finger über den glänzenden Lack. „Netter kleiner Flitzer, wie?“
Woher die Mittel für den Wagen kamen, war nicht schwer zu erraten. Hunderttausend Dollar Erpressergeld plus wer weiß wie viel für die zahllosen Interviews, die er sich garantiert gut bezahlen ließ.
Grinsend kam er auf sie zu. „Julie, ma chérie, wie schön, dich zu sehen.“
Julie trat einen Schritt zurück, weil sie ihn nicht zu nah an sich heranlassen wollte. Sie fragte sich, was sie einst an diesem Mann gefunden hatte. Wie dumm sie gewesen war!
Sein Grinsen wurde noch breiter. Er schien zu erraten, was sie gerade dachte. Oh Gott, war das wirklich richtig gewesen, ihm dieses Treffen vorzuschlagen? Was, wenn sie damit alles nur noch schlimmer machte? Oder wenn Travis davon erfuhr?
„Jean Claude …“
„Richtig romantisch, nicht wahr?“ Er blickte sich um und wandte seinen Blick dann wieder ihr zu. „Nur wir beide hier … allein …“
Sie konnte nur hoffen, dass sie wirklich allein waren. Und dass nicht irgendwo Fotografen oder Reporter lauerten.
„Nein“, sagte sie und schüttelte energisch den Kopf. „Ich meine, ja, wir sind allein, aber nein, es ist nicht romantisch.“
Der Wind blies Jean Claude das blonde Haar nach hinten und enthüllte eine schon recht hohe Stirn – wesentlich höher, als Julie sie in Erinnerung hatte. Vielleicht führte ein Dasein als charakterloser Dreckskerl zu vorzeitigem Haarausfall. Das wäre immerhin ein Trost. Wenn auch nur ein sehr schwacher.
„Auch gut“, meinte er achselzuckend. „Aber wenn das hier kein heimliches Rendezvous sein soll – warum hast du mich dann hergebeten?“
„Ein heimliches Rendezvous?“, fragte sie mit offenem Mund. „Hast du völlig den Verstand verloren?“
„Weißt du denn nicht mehr, wie es früher zwischen uns war, chérie ?“ Seine Stimme war tief und sollte wohl verführerisch
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