Verführe niemals Deinen Mann
bemerkte Henry. „Habe so einiges über Sie und Ihre Frau in den Zeitungen gelesen.“
„Das kann ich mir vorstellen“, sagte Travis. „Aber ich versichere Ihnen, dass das alles nur dicke fette Lügen sind.“
„Dann war Ihre Frau also nicht mit diesem … Doucette verheiratet?“
Nervös ergriff Travis einen Kugelschreiber, spielte damit herum, warf ihn wieder zur Seite. „Na ja … also das schon, ja, doch.“
„Na, dann geschieht es ihr doch nur recht“, polterte der Mann los. Dieser abfällige Ton in seiner Stimme! In Travis erwachte der Beschützerinstinkt.
„Doucette hat meine Frau hereingelegt“, sagte er barsch. Ja, er wollte diesen Weinvertriebsvertrag, aber auf keinen Fall ließ er zu, dass jemand Julie beleidigte. Schon gar nicht jemand, der sie nicht mal kannte. „Sie hat nichts Unrechtes getan, und ich verbitte mir diesen Ton!“
„He, Moment mal …“
„Nein, tut mir leid, Henry“, erklärte Travis und stand wütend auf. „Sicher hätte ich gerne, dass Ihre Firma meinen Wein vertreibt. Aber ich komme auch ohne Sie klar.“ Das wollte er zwar nicht, das hatte er nicht so geplant. Aber er ließ sich auch von niemandem auf der Nase herumtanzen.
Mit Sicherheit wäre es schwierig, einen auch nur annähernd so guten Vertriebspartner zu finden, aber zur Not würde er es schaffen. Ein King kuschte vor niemandem, schon gar nicht nur um eines Geschäftes willen. „Sie wissen genauso gut wie ich, dass ein Geschäft mit der King-Kellerei nicht nur mir nützen würde, sondern auch Ihnen.“
„He! Was glauben Sie eigentlich, mit wem Sie reden?“
„Das könnte ich genauso fragen, Henry“, antwortete Travis und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich bin schließlich kein grüner Junge, der frisch ins Weingeschäft einsteigen will. Ich besitze eines der bedeutendsten Weingüter von ganz Kalifornien, das wissen Sie ganz genau. Unser Umsatz wächst mit jedem Jahr. Wir könnten zusammenarbeiten und dabei beide einen Haufen Geld verdienen …“, er hielt inne und versuchte seine Wut zu unterdrücken, „… oder Sie beleidigen noch einmal meine Frau, und dann lege ich auf und suche mir einen anderen Geschäftspartner.“
Einen Augenblick lang fragte sich Travis, ob er zu weit gegangen war, ob Henry jetzt den Hörer aufknallen würde. Doch dann begann der Vertriebsunternehmer wieder zu sprechen.
„Sie haben recht“, sagte Henry nachdenklich. „Und ich habe Respekt vor Menschen, die für ihre Familie eintreten. Lassen Sie uns für nächste Woche einen Termin abmachen, dann sprechen wir die ganze Sache durch. Wir werden uns schon einig werden.“
Erfolg! Mit einem leicht bitteren Nachgeschmack, aber damit konnte Travis leben. Als er aufgelegt hatte, überlegte er, ob er Julie die gute Nachricht erzählen sollte. Aber dann entschloss er sich, es nicht zu tun. Sie führten ja schließlich keine richtige Ehe.
Oben schloss Julie die Tür des Schlafzimmers und trat ans große Fenster, das einen herrlichen Blick über die Weinberge bot. Der Himmel war wunderbar blau, nur von einigen weißen Wölkchen getupft. Einen Augenblick lang stand sie schweigend da und bewunderte die Aussicht.
Aber dafür hatte sie sich nicht hierher zurückgezogen. Sie hatte einen Entschluss gefasst. Ab jetzt wollte sie nichts mehr einfach mit sich geschehen lassen, sondern selbst aktiv werden. Sie wollte sich ihrer Vergangenheit stellen und ihre Zukunft in Ordnung bringen. Auf ihrem Handy wählte sie eine Nummer, die sie eigentlich hatte vergessen wollen. Unruhig zupfte sie an den Gardinen, während sie dem Klingelgeräusch lauschte. Dann ertönte eine Männerstimme, und sie zuckte zusammen.
„Hallo?“
Du liebe Zeit, wie sie diese Stimme hasste!
„Jean Claude“, sagte sie. „Wir müssen reden.“
8. KAPITEL
Julie fühlte sich wie eine Verräterin.
Ihr war, als ob Travis jeden Moment aus den Schatten hervorspringen würde, um anklagend mit dem Finger auf sie zu zeigen und zu rufen: Betrügerin!
„War wahrscheinlich eine blöde Idee“, murmelte sie und stellte sich mit ihrem Kaffeebecher an das Geländer auf der Aussichtsplattform. Man hatte hier einen wunderbaren Ausblick über den Ozean. Sie zog die dunkelblaue Windjacke enger um den Körper und ließ sich die kühle Brise ins Gesicht wehen. Der Wind spielte mit ihren Haaren.
Zurzeit war sie die einzige Person auf dieser Aussichtsplattform, die etwa zwanzig Meilen nördlich des King-Weinguts lag. Julie war mit dem Auto über den Highway gekommen, der sich
Weitere Kostenlose Bücher