Verführer der Nacht
jahrhundertelang auf der Welt ist. Schmerzen gehen vorbei, aber jeden Augenblick eines trostlosen Daseins zu überstehen, ist unerträglich. Ich kann nicht dorthin zurück. Ich war näher daran, zum Vampir zu werden, als mir klar war. Ich weiß es, weil ich es jetzt in meinem Bruder Nicolas fühle. Du hast die Dunkelheit in ihm gespürt, als er in deiner Nähe war. Er hat dir Angst eingejagt – ich habe deine Erinnerungen an eure Begegnung gesehen.«
Er sagte ihr mehr, als sie hören oder verstehen konnte, das wusste Colby. Sie rührte nicht an sein Bewusstsein, sondern überließ es ihrem Verstand, die Informationen Stück für Stück zu verarbeiten. Colby wollte keine Angst vor ihm haben, nicht jetzt, wenn ihr Körper von tausend Empfindungen erschüttert wurde, wenn sie gelöster und glücklicher als je zuvor in ihrem Leben war. »Falls ich es nie wieder sage, Rafael: Danke für diese Nacht. Danke, dass du dir Sorgen um uns machst und uns Geld leihst, um die Ranch zu retten. Und danke, dass du mich so akzeptierst, wie ich bin, und mir das Gefühl gibst, vollständig angenommen zu werden.«
»Das klingt, als wolltest du mir Lebewohl sagen, Colby.« Seine Stimme war sanft. »Hast du dich noch nicht gefragt, warum die Sonne auf deiner Haut brennt? Weshalb deine Augen so empfindlich sind? Warum du mitten am Tag schlafen musst?«
Colby setzte sich und legte ihre Hand auf das dunkle Mal, mit dem Rafael sie gezeichnet hatte. Sie konnte ihr Herz in der Stille der Nacht laut schlagen hören. Was er sagte, hörte sich so an, als würde sie zu einem Wesen wie er werden. »Das könnte davon kommen, dass du mein Blut genommen hast?
Willst du mir das damit klarmachen?« Sie unterdrückte die Panik, die in ihr aufstieg, und zwang sich, ruhig zu bleiben. Es war etwas Schreckliches an der Art, wie seine dunklen Augen über ihren Körper glitten. Sie schaute sich nach ihren Sachen um, weil sie sich auf einmal sehr verletzlich fühlte.
»Dein Blut zu nehmen würde nicht diese Wirkung auf dich haben. Wir existieren vom Blut anderer. Die Frauen, von denen du glaubst, dass ich mit ihnen schlafe, sind für mich nur als Beute von Interesse.« Er beschönigte es nicht und beobachtete scharf, wie sie darauf reagierte. »Wenn du in meinem Bewusstsein warst, musst du wissen, dass ich mir meine Nahrung von Menschen nehme.«
Colby, die sich bedrohter denn je fühlte, langte nach ihrem Hemd. Rafael packte sie am Handgelenk und hielt sie fest. Sein Blick war sehr direkt und sehr dunkel, als er brütend über ihr Gesicht glitt. »Du gehörst zu mir, Colby. Das hat diese Nacht uns beiden bewiesen.«
In seinem Griff lag ungeheure Kraft, aber schlimmer als das war das Gefühl von Unterdrückung, als wäre sie eine Gefangene, nicht eine Liebende. Colby kämpfte die Angst nieder, die ihr die Kehle zuschnürte. »Lass mich los!«
»Gerade eben hast du mir noch für diese Nacht gedankt, jetzt fürchtest du mich.«
»Ich habe Grund, dich zu fürchten«, gab sie zurück und wartete darauf, dass er es leugnete.
Sein Blick ruhte unverwandt auf ihrem Gesicht. »Das wusstest du schon bei unserer ersten Begegnung, aber es hat dich nicht daran gehindert, mich zu begehren. Hast du dich je gefragt, warum das so war?«
Colby machte den Fehler, sich zur Wehr zu setzen. Den Grund konnte sie sich selbst nicht erklären. Rafael war der Typ Mann, der auf Gegenwehr aggressiv reagierte, und er war viel stärker als sie. Sie fand sich auf der dichten Grasmatte liegend wieder; sie starrte in seine wie aus Stein gemeißelten Züge. Colby hätte schwören können, ein leises Grollen in seiner Kehle zu hören und Funken aus seinen Augen sprühen zu sehen.
»Tu das nicht!«, zischte er. Er legte eine Hand um ihren Hals und neigte langsam den Kopf, um einen Kuss auf ihren Mundwinkel zu pressen. »Ich würde dir nie etwas antun, Colby. Nie. Ich bin nicht imstande, dir etwas anzutun.«
Sie holte tief Luft und ließ sie langsam entweichen. Dabei zwang sie sich, nicht in Panik zu geraten. »Ich habe dich akzeptiert, Rafael, alles an dir. Was du bist und was dich ausmacht. Warum jagst du mir jetzt bewusst Angst ein? Was willst du noch von mir? Glaubst du, ich lege mich mit jedem Mann, der daherkommt, ins Heu? Ich habe mit dir Sachen gemacht, an die ich vorher nicht einmal gedacht habe und die ich einem anderen nie erlauben würde. Ich habe sogar zugelassen, dass du mein Blut nimmst. Ich habe zugesehen, wie deine Eckzähne länger wurden und sich in mein Fleisch
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