Verführer der Nacht
provozierte den Vampir bewusst. Er schien Zeit schinden zu wollen.
»Es interessiert mich nicht, was Menschen von mir denken. Ich habe keine Achtung vor denen, die Macht haben und sich trotzdem geringeren Lebensformen unterwerfen.« Der Vampir umschloss mit einer Handbewegung die Ranch. »Für mich sind Menschen Futter, Beutetiere. Ich benutze sie und herrsche über sie. Sie erfüllen meine Wünsche, leben oder sterben, ganz, wie ich es will. Du bist so schwach, dass du nicht einmal deine Gefährtin ganz in deine Gewalt bringst, und setzt damit dein Leben, ihres und das ihres Bruders aufs Spiel. Du verdienst es nicht, am Leben zu bleiben«, höhnte er. »Was ist aus dir geworden, Rafael? Du warst immer ein Führer, und trotzdem hast du dich von Vlad wie ein kleiner Handlanger wegschicken lassen, um seine Befehle zu befolgen.«
Die mit scharfen Zähnen bewehrten Schlangen brachen direkt vor ihren Füßen aus dem Boden und gingen mit aller Gewalt auf Rafael und Colby los. Gleichzeitig schossen dichte, dornige Schlingpflanzen aus der Erde und schlangen sich um die mordlustigen Reptilien. Colby wusste, dass Rafael diese Pflanzen geschaffen hatte, um den Angriff abzuwehren. Sie taumelte zurück, aber Rafael blieb unerschütterlich stehen und sah dem Vampir direkt ins Gesicht.
Jetzt! Er gab das Kommando, doch es richtete sich nicht nur an Colby. Sie stellte fest, dass sie über Rafael sowohl mit den Brüdern' Chevez als auch mit Nicolas verbunden war. Noch mehr Schlingpflanzen durchbrachen das Erdreich, griffen nach Paul, zerrten ihn aus den Armen des Vampirs und hüllten ihn in einen dichten Kokon. Die Schlangen attackierten wie rasend die Pflanzen, um an den Jungen heranzukommen, aber so schnell sie die faserigen Stängel auch umstießen, ständig wuchsen neue nach, die mit dichten Dornen auf die Tiere herabstießen und sie immer tiefer in das Dickicht hineinzogen.
Als Paul auf den Boden sank, spürte Colby, wie Rafael und Nicolas ihre Macht an sich nahmen. Sie entrissen sie ihr rücksichtslos, um sie mit furchtbarer Gewalt gegen den Vampir zu richten. Feuer brach durch den Himmel, eine Fackel aus glühender Hitze und züngelnden roten Flammen, erzeugt von Colby und angeheizt von den Brüdern De La Cruz. Colby hörte ihren eigenen Aufschrei und wusste sofort, in welchem Moment Rafael und Nicolas den Brüdern Chevez befahlen, mit ihren Gewehren Schüsse abzugeben.
Das Feuer steckte einige der Schlangen in Brand, doch der Vampir war bereits verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen, nicht einmal fahlen Rauch oder eine leere Stelle, die angezeigt hätte, welche Richtung er eingeschlagen hatte. Rafael schwenkte eine Hand gen Himmel und drehte sich dabei im Kreis. Colby hielt unwillkürlich den Atem an. Sie wusste, dass etwas Furchtbares kommen würde.
Grelle Blitze zuckten, und die Wolken breiteten sich aus, als würde auf Rafaels Befehl ein riesiger Schleier über den Himmel gezogen. Colby blinzelte ein paar Mal, um zu sehen, was Rafael so interessierte. Sie fand, er sollte sich lieber Sorgen wegen der Schlangen machen, die mit rasantem Tempo auf ihn zugekrochen kamen, statt geduldig den Himmel zu betrachten. Seine Hände bewegten sich in einem fließenden Rhythmus, und sie hörte ihn Worte wispern, die sie nicht verstand.
Etwas bewegte sich am Rand einer Wolke, eine dunkle, formlose Masse. Colby hätte schwören können, dass Rafael dem Blitz befahl, wie ein Speer direkt auf die dunkle Stelle zuzuschießen. Ein Zischen verriet, dass der Blitz einen Treffer gelandet hatte, aber die Vergeltung folgte auf dem Fuß. Die Erde bebte unheilverkündend.
Colby erstarrte. »Rafael, er versetzt das Vieh in Panik!« Die Schlangen und Schlingpflanzen schienen überall zu sein und eine Hindernisbahn zwischen ihr und Paul zu bilden. Sie hatte geglaubt, ihr Bruder wäre innerhalb der dicken, faserigen Stängel in Sicherheit, doch er war den Rindern, die mit donnernden Hufen in blinder Panik auf ihn zustürmten, hilflos ausgeliefert.
Rafael wandte seine Aufmerksamkeit dem Boden zu, sodass die Schlingpflanzen verwelkten und abstarben und die Schlangen sich schwarz verfärbten und schwelten, aber immer noch am Leben waren und mit weit aufgerissenen Mäulern und gefletschten Zähnen versuchten, an den Jäger heranzukommen.
Los, querida, hol ihn da raus. Juan, Julio ! Helft ihr!
Colby zögerte nur einen Moment. Rafael war geschwächt, jedoch entschlossen, sie und ihren Bruder zu retten. So ungern sie ihn auch verließ, Paul hatte
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