Verführer der Nacht
wenn er bei ihnen war. Ich vermute, er wendet bei ihnen irgendeine bestimmte Heiltechnik an.«
Ein verlegenes Schweigen senkte sich über sie. Paul legte eine Hand an seine Kehle. »Ich kann ihn immer noch spüren, Colby.«
»Ich weiß, Paul. Ich versuche dahinterzukommen, womit wir es hier zu tun haben. Wir können nicht gut zu Ben gehen und ihm erzählen, dass bei uns ein Vampir sein Unwesen treibt – er würde uns beide in die Klapsmühle sperren.«
Paul zuckte die Schultern und zwang sich zu einem schwachen Lächeln. »Das will er doch schon seit Jahren.«
Colby wandte den Kopf, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung auf dem Abhang direkt über ihrer Ranch erhaschte. Es war früh am Morgen, und ihre Augen brannten bereits. Die Sonne stand noch nicht besonders hoch, aber ihre Strahlen schienen sie wie Pfeile zu treffen. Sie kniff die Augen zusammen und schirmte sie mit einer Hand ab. »Was ist das da, Paul? Schleppt sich da ein Tier über den Boden?«
Paul fuhr herum und suchte mit den Augen den Abhang ab. Plötzlich versteifte er sich. »Colby, das ist King! Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.« Er rannte los und jagte über den Hof zu dem verletzten Hund.
Kapitel 13
K ing schleppte sich mühsam über den Boden zu ihnen. Als er sie kommen sah, ließ er sich winselnd in den Staub fallen und schaute sie aus seinen dunklen Augen vertrauensvoll an.
Paul kniete sich neben ihn und fuhr ihm mit den Händen behutsam durch das Fell. »Soweit ich sehen kann, hat er keine Verletzungen.«
Ein Schauer lief Colby über den Rücken, und sie beugte sich vor, um dem Hund in die Augen zu schauen. »Er ist betäubt worden, Paul.«
Ein kurzes Schweigen entstand. Paul schüttelte energisch den Kopf. »Ich war es nicht, das schwöre ich. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, konnte ich mich an alles erinnern, Colby. Ich wusste nichts mehr von den Sachen, die ich gemacht hatte und die Nicolas mir gezeigt hat, als er das Vampirblut aus mir herausholte, aber ich wusste, dass ich Gedächtnislücken hatte. Die habe ich jetzt nicht. Ich habe King nicht betäubt. Wirklich nicht!«
Colby legte eine Hand auf seine Schulter. »Das ist im Moment nicht wichtig, Paul. Wichtig ist, dass King bei Ginny war. Bring ihn ins Haus, leg ihn auf Ginnys Bett und weck deine Onkel. Sag ihnen, sie sollen ein paar Pferde satteln und schnell herkommen. Lange werde ich nicht warten.«
Paul hob den Hund auf und raste zum Haus zurück. Colby kämpfte gegen ihre Angst an. Wahrscheinlich pflückte Ginny gerade Beeren am Teich. Indem sie ihre bösen Vorahnungen ignorierte, legte Colby hastig einer Stute Zügel an. Ohne sich die Mühe zu machen, das Tier zu satteln, schwang sie sich auf den Rücken des Pferdes und ritt zum Haus. Paul wartete schon auf sie. Juan stand mit besorgter Miene neben ihm.
»Was ist los? Wo ist das Kind?«
»Ich mache mich jetzt auf die Suche nach ihr.« Colby streckte einen Arm aus, und Paul hielt sich daran fest, um sich hinter seine Schwester aufs Pferd zu schwingen. »Der Hund ist betäubt worden, und ich mache mir große Sorgen. Hol Julio und nehmt Gewehre mit. Ich kann alle Hilfe brauchen, die ich kriegen kann.« Nicht gewillt, noch länger zu warten, bohrte sie ihre Fersen in die Flanken des Pferdes, riss es herum und trieb es zu einem scharfen Galopp an.
Als sie die Hügelkuppe erreichten, zügelte Colby die Stute und überprüfte die Umgebung. Nirgendwo war ein Lebenszeichen zu entdecken. Es war still, zu still. Colby hämmerte das Herz gegen die Rippen, und ihre Kehle war vor Angst wie zugeschnürt. Nicht Ginny. Sie würde nicht zulassen, dass Ginny etwas zustieß ! Colby wusste nicht, was sie tun würde, wenn ihrer kleinen Schwester etwas passierte. Mit einem unterdrückten Schluchzen blieb sie stehen und schubste Paul praktisch vom Pferd. »Du suchst nach Spuren. Wenn du etwas siehst, irgendetwas, rufst du, bleibst aber in Deckung. Verstanden, Paul? Bleib in Deckung! Wenn mir etwas passiert, gehst du zum Sheriff. Geh zu Ben. Trau keinem anderen.«
»Aber ... Colby?« Mit weißem Gesicht starrte er zu ihr hinauf. »Ich kann das nicht gewesen sein ! Ich kann ihr doch nichts angetan haben, oder?«
»Nein, du warst es nicht«, sagte sie. »Du bist genauso in Gefahr wie Ginny. Sei vorsichtig, Paul, und traue niemandem. Ich wünschte, ich wüsste, was hier vorgeht, verdammt!«
»Und wenn ihr etwas ganz Furchtbares zugestoßen ist? Ich glaube nicht, dass ich ...« Paul brach ab. Er konnte nicht noch einmal einem Vampir
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