Verführer der Nacht
ihr Körper verlangte sehr eindringlich nach ihm! Verkrüppelte kleine Nichte. Das Bild ließ sie nicht los.
»Dann muss ich wohl bleiben, um Sie zu überzeugen«, sagte er, wobei sein fremdländischer Akzent stark auffiel. Alles in ihm, jede Zelle, sein Herz, seine Seele, sein Gehirn, sogar der Dämon in seinem Inneren, alles schrie danach, sie an sich zu binden. Er konnte sie einfach nehmen. Niemand wäre in der Lage, ihn aufzuhalten. Rafael war es gewohnt, dass sich nichts und niemand seinem Willen widersetzte. Schon gar nicht eine halbe Portion wie diese Frau. Eine menschliche Frau.
»Dann also um acht Uhr«, sagte sie ungeduldig und bemühte sich, nicht so verängstigt auszusehen, wie sie sich fühlte. Noch nie hatte jemand sie so reizbar gemacht und verwirrt wie er. In seinen Augen lag ein besitzergreifender Ausdruck, die Forderung, sie für sich zu beanspruchen. Vorher hatte sie sich noch niemals wirklich vor jemandem gefürchtet. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss mich wieder an die Arbeit machen.« Er war der Feind. Eng verbunden mit einer Familie, die ihre Mutter abgelehnt hatte. Jemand, für den ihre Geschwister Dienstboten waren, und zwar in einem Land, von dem sie nichts wussten. Das musste sie sich in Erinnerung rufen. Sie musste sich daran erinnern, wie hart ihr Vater gekämpft hatte, um seinen Kindern etwas hinterlassen zu können. Rafael De La Cruz hatte diesen Latino-Charme, von dem sie viel gehört, den sie aber noch nie erlebt hatte. Der Mann war Gift. Colby schaute bewusst Louise an. Die Frau war offensichtlich schläfrig und schnurrte wie eine Hauskatze. Sie sah ganz danach aus, als hätten die beiden gerade Sex gehabt. Louise streichelte Rafaels Arm und starrte ihn mit einem so verzückten Gesichtsausdruck an, dass sich Colby der Magen umdrehte.
Rafael zeigte herrisch auf den Pick-up, und Louise, deren Gesicht vor Freude aufleuchtete, schenkte ihm ein Lächeln und ging gehorsam zum Wagen. Bei Rafaels Geste knirschte Colby innerlich mit den Zähnen. Warum hast du nicht einfach mit den Fingern geschnippt? Die De La Cruz-Brüder benahmen sich, als wären Frauen ihnen unterlegen, und das machte sie rasend. Nein, das stimmte nicht ganz. Sie vermittelten eher den Eindruck, als wäre ihnen jeder Mann und jede Frau unterlegen, jedes menschliche Wesen auf der Erde.
Rafael wandte den Kopf und schaute sie an, als könnte er tatsächlich ihre Gedanken lesen. Einen Moment lang erstarrte sie und hatte beinahe Angst, sich zu bewegen. Noch nie hatte sie Augen gesehen, die so hart und so kalt waren. Wenn seine Augen der Spiegel seiner Seele waren, musste dieser Mann ein Monster sein. Er machte keine Anstalten, Louise zu folgen, sondern ließ stattdessen seinen Blick über Colbys zierliche Gestalt gleiten. Seine harten Gesichtszüge blieben völlig ausdruckslos. »Warum machen Sie diesen Unsinn? Das ist Männerarbeit und nichts für jemanden wie Sie. Es ist nicht zu übersehen, dass Sie den Großteil des Nachmittags auf dem Boden verbracht haben.«
»Das geht Sie nichts an, Mr. De La Cruz.« Colbys Vorsatz, höflich zu bleiben, war dahin. Sie hatte keine Ahnung, warum sie sich so bedroht fühlte, aber sie hatte den Eindruck, ins Fadenkreuz eines starken Mikroskops geraten zu sein.
»Ich glaube, es ist eines unserer Pferde, das Sie zureiten.
Wie sind Sie daran gekommen?« Er fragte es leise, als wäre es ihm nicht der Mühe wert, sich über ihre Erwiderung zu ärgern.
»Ich habe mich wie ein Dieb in der Nacht auf Ihre Koppeln geschlichen und einige Pferde mitgehen lassen«, gab sie sarkastisch zurück. »Versuchen Sie bitte, nicht noch unangenehmer als unbedingt nötig zu sein. Juan Chevez hat uns sechzehn Tiere geschickt. Muss wohl eine Sache des Gewissens sein.«
»Die Familie Chevez hat unter diesem Missverständnis sehr gelitten«, antwortete er geduldig. »Sie wünschen sich nichts mehr, als den Bruch innerhalb ihrer Familie zu heilen. Da ich die Chevez' als Teil meiner Familie betrachte und sie unter meinem Schutz stehen, ist es mir genauso wichtig.« Er blinzelte nicht ein einziges Mal, als er seine schwarzen Augen auf ihre grünen richtete. Colby fühlte sich gejagt. Mehr als einmal hatte sie Pumas aufspüren müssen, die hinter ihren Pferden her gewesen waren, und sie hatten sie mit demselben unverwandten Blick angestarrt.
»Gehen Sie zurück nach Brasilien, Mr. De La Cruz, und nehmen Sie Ihre Familie mit. Das dürfte stark dazu beitragen, den Bruch zu kitten.«
Seine Zähne
Weitere Kostenlose Bücher