Verführer der Nacht

dürfen. Und doch versuchte sie wie besessen, zu Paul zu gelangen.
    Es ist das Blut der Drachensucher in ihr, erklärte Nicolas ruhig. Sie ist viel stärker, als einer von uns geahnt hat.
    Es stimmte. Ihre Herkunft erklärte ebenso ihren eisernen Willen wie auch den ungeheuren sexuellen Hunger, der sie jedes Mal befiel, wenn sie bei ihrem Gefährten war. Ihre Abstammung war ebenso ihre Stärke wie ihr Untergang. Ihr Schmerz und ihre Qual trafen Rafael tief. Querida. Er strich über ihr Haar und zog ihre Hände von der Erde weg. Paul wird nicht sterben. Du kannst diesen Ort der Heilung nicht verlassen. Die Umformung ihrer Innenorgane war noch nicht abgeschlossen, und er konnte immer noch das Feuer spüren, das in ihr wütete.
    Lass mich los! Was hast du getan ? O Gott, Paul ist verletzt! Ich muss zu ihm. Hilf mir hier raus!
    Nicolas und ich gehen zu ihm. Juan und Julio sind bei deinem Bruder, und Sean ist auch da. Du kannst das Erdreich noch nicht verlassen. Du bist noch nicht genesen, und das Licht würde dir schaden. Rafael versuchte, den Albtraum, in dem Colby sich wiederfand, mit ruhiger Zuversicht zu durchdringen, und hielt sie mit sanften Händen fest.
    Sie hörte nicht auf, Erde zu schaufeln. Rafael war gezwungen, ihre Handgelenke zu umklammern, damit sie sich nicht selbst verletzte. Colby, pequena, ganz ruhig. Nicolas steht gerade auf. Wir können den Vampir aufhalten. Du bist dazu nicht in der Lage, ohne dir selbst großen Schaden zuzufügen. Er versuchte, vernünftig zu sein, aber sie brach ihm das Herz. Seine sanfte und zärtliche Seite war ihm nicht vertraut, und seine stolze Natur und sein Beschützerinstinkt verlangten, dass er ihren Gehorsam erzwang.
    Verdammt, ich kann selbst auf mich aufpassen! Ich muss zu ihm. Er ist verletzt. Um Himmels willen, Rafael, er hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Er ist nur ein Junge.
    Ihr Kummer zerriss ihm das Herz. Ich werde dafür sorgen, dass ihm nichts passiert. Schlaf jetzt, Colby. Er unterlegte seine Worte mit einem starken geistigen Zwang.
    Sie gab nicht nach. Ihr Drachensucher-Blut erhob sich und schützte sie vor seinem Zugriff. Zum Teufel mit dir, Rafael. Er ist mein Bruder. Wenn du mich nicht hier herausholst, versuche ich es auf eigene Faust.
    Er war ungeheuer stark, und körperlich war sie ihm nicht gewachsen. Das kannst du nicht, meu amor. Schlaf jetzt. Diesmal verstärkte er den Druck auf sie und ließ nicht zu, dass sie ihr Blut oder ihre Willenskraft zu Hilfe nahm, um sich ihm zu widersetzen.
    Das werde ich dir nie verzeihen. Sie beugte sich ihm, indem sie widerstrebend in den Schlaf seiner Spezies fiel, aber nicht bevor Rafael die Kluft zwischen ihnen gespürt hatte, die sich wie ein tiefer Abgrund vor ihm auftat und vielleicht nie überwunden werden konnte. Und er konnte es ihr nicht einmal verübeln. Einen Moment lang lag er neben ihr und hielt sie in den Armen. Sein Herz pochte unruhig vor Sorge um Colby, um ihre gemeinsame Zukunft. In Colby verbarg sich ein stählerner Kern. Körperlich würde sie ihm vielleicht nie widerstehen können, doch wenn sie nicht bereit war, jemals etwas anderes für ihn zu empfinden ...
    Rafael stöhnte. Er konnte ihr keine Vorwürfe machen. Schließlich hatte er sie ohne ihre Einwilligung umgewandelt und sie zu seiner Lebensweise gezwungen, und während sie in der Erde ruhte, hatte der Vampir ihren Bruder angegriffen. Rafael streichelte ihr seidiges Haar und presste seine Lippen an ihre Schläfen. Ohne dich könnte ich nicht überleben, meu amor. Ich weiß, dass du mein Herz und meine Seele bist. Versuch, mich trotz allem zu lieben. Wenn er allein war und an sie dachte, wenn ihm die Kehle bei dem Gedanken an ihren Mut und ihre Stärke vor Liebe wie zugeschnürt war, wenn er sich danach sehnte, bei ihr zu sein, und allein bei der Vorstellung, von ihr geliebt und gebraucht zu werden, wie berauscht war, dann fielen ihm alle möglichen romantischen Dinge ein, die er ihr sagen könnte. Aber wenn sie vor ihm stand und ihn mit ihren grünen Augen anfunkelte, während ihr Körper und ihr Mund eine einzige Versuchung darstellten, kam ihm alle Vernunft abhanden, und er entschied sich für Dominanz. Wie sollten sie all das unbeschadet überstehen?
    Rafael brach aus der Erde. Das Licht des frühen Morgens schmerzte auf seiner Haut und in seinen Augen, doch es war halbwegs erträglich. Noch während er aufstieg, wechselte er seine Gestalt, indem er sich wieder in die von ihm bevorzugte Harpyie verwandelte, und flog zu Sean