Verführer der Nacht
Rhiannon hatte angefangen, bei einem ihrer mächtigsten Lehrmeister zu studieren. Er zettelte ein Komplott an, um ihren Gefährten zu ermorden und Rhiannon für sich zu behalten. Die meisten Gefährten überleben das Dahinscheiden ihres Partners nicht. Er muss eine Möglichkeit gefunden haben, Rhiannon noch eine Weile am Leben zu erhalten.«
»Natalya behauptet, dass Rhiannon Drillinge bekam, bevor sie starb, zwei Töchter und einen Sohn, und dass ihr Sohn Natalyas Vater war. Natalya vermutet, dass ihr Bruder mein Vater sein könnte.«
»Was ist mit Rhiannons Töchtern?«
»Natalya weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Ihr Vater hat ihr eingeschärft, dass ein Jäger jeden, der unser Muttermal trägt, sofort töten würde. Und sie meint, dass sich mein Mal vor Jägern und Vampiren verbirgt und du es deshalb nicht sehen konntest.«
»Natürlich hat sie das von ihrem Vater.« Rafael hauchte kleine Küsse auf das Muttermal. »Sie vergiften den Geist ihrer Kinder gegen uns. Welche bessere Rache kann es geben, als sie von uns fernzuhalten, wenn wir sie so sehr brauchen?«
»Warum hat sich mein Muttermal vor dir versteckt?«
»Ich vermute, es wusste, wie stark das Tier in mir war, und hat dementsprechend reagiert. Die meiste Zeit, die ich mit dir zusammen war, habe ich es nur mit Müh und Not geschafft, die Dunkelheit in meinem Inneren zu beherrschen. Dein Muttermal hat versucht, dich vor mir zu schützen, solange ich in Gefahr war, der Versuchung der dunklen Seite nachzugeben, aber jetzt ist das nicht mehr nötig.«
Colbys Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Ihre Haut schien überempfindlich, und etwas schoss wie heißes Feuer durch ihr Inneres und versengte jedes ihrer Organe. Rafael hob schnell den Kopf. Er wusste, was mit ihr vor sich ging. Sie sah es ihm an. Colby stieß mit den Händen nach ihm, um ihn von sich zu schubsen. Die seltsame feurige Woge machte ihr Angst. »Es tut weh, wenn du mich anfasst.« Ihre Eingeweide standen plötzlich in Flammen, und ihr wurde schlecht. Sie versuchte gerade wieder, Rafael wegzuschieben, als die Luft wie ein Feuerstoß aus ihren Lungen wich.
Colbys Augen weiteten sich vor Entsetzen. Rafael verspürte erste Gewissensbisse. Es war kein angenehmes Gefühl, und noch dazu eines, das er erst kannte, seit er Colby begegnet war. Er rollte sich herum, setzte sich auf und hielt schützend einen Arm um sie, ohne sie zu berühren.
»Was ist mit mir los?« Jähe Erkenntnis mischte sich in ihre Schmerzen. »Du weißt es, nicht wahr? Was hast du diesmal mit mir gemacht?« Sie krümmte sich vor Schmerzen und bekam kaum noch Luft. Ihre Nägel bohrten sich tief in seinen Arm.
»Ganz ruhig atmen, Colby.« Er hatte nicht erwartet, dass die Umwandlung so schmerzhaft sein würde. Seinem Herzen versetzte es einen Stich. Was, wenn nun irgendetwas schiefging?
»Antworte mir! Mein Gott, du kannst mir wenigstens sagen, was du mit mir gemacht hast.«
»Was du jetzt durchmachst, ist der Anfang der Umwandlung.« Ihre Schmerzen wirbelten durch sein Inneres und vermischten sich mit seinen Schuldgefühlen und der Angst, die er um sie ausstand.
»Ich habe dir vertraut.« Die Worte kamen keuchend aus ihrem Mund, und ihre Augen starrten ihn halb gequält, halb anklagend an. Sie setzte sich ein wenig auf und versuchte, ein Stück von ihm abzurücken. »Wie konntest du je behaupten, mich zu lieben? Hältst du das für Liebe? Du würdest Liebe nicht einmal erkennen, wenn man sie dir ins Gesicht schleuderte. Liebe ist nicht Verrat und nicht Beherrschung des anderen, und sie bedeutet auch nicht, dem anderen seinen freien Willen nehmen zu können. Ich habe versucht, auf meine Art mit dir zusammenzukommen, aber sogar das hast du mir genommen.« Der Schmerz wühlte wie ein Messer in ihr, und ihre Augen verdunkelten sich. »Ich habe dir vertraut«, wiederholte sie mit brechender Stimme.
Rafael erstarrte. So war es nicht gewesen. Er hatte sie zu ihrer aller Schutz an sich binden müssen, das wusste er. Zu einer solchen Tat wie der, die Colby ihm vorwarf, wäre er nie fähig, bei all seiner Herrschsucht nicht. War er denn so ein Monster? Schon baute sich die nächste Schmerzwelle in ihr auf, schoss wie ein Feuerball durch sie hindurch und versengte ihre Haut und ihre Organe. Schweiß brach an ihrem Körper aus, und Blut drang aus ihren Poren. Rafael flüsterte ihren Namen und holte Wasser vom Wasserfall, um ihr Gesicht zu baden. Colby wandte sich ab; sie wollte seine Hilfe nicht. Doch da verkrampfte sich ihr
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