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Verführer der Nacht

Titel: Verführer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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zu reparieren. Sie rieb sich mehrmals die Augen. Die Sonne stand noch nicht hoch, aber ihre Augen schienen ungewöhnlich empfindlich auf das Licht zu reagieren.
    Während Domino sich vorsichtig seinen Weg über das lose Geröll suchte, starrte Colby abwechselnd angestrengt auf den Boden, um etwaige Spuren zu entdecken, und auf die schroffen, unerbittlichen Berge. Hinter den steilen Felswänden verbarg sich eine Reihe dunkler, unheimlicher Höhlen und Gänge, die tief ins Berginnere führten. Colby verabscheute diesen Abschnitt ihres Grundbesitzes und mied ihn unter jedem nur erdenklichen Vorwand. Etwas Böses schien in der Luft zu liegen, eine finstere Bedrohung, als wäre das Land ein lebendes Wesen, das geduldig darauf wartete, sie zu holen. Sie konnte nie in diese Gegend kommen, ohne dass ihr Herz doppelt so schnell schlug, ihr Magen brannte und düstere Vorahnungen in ihr aufstiegen, eine Panik, die ihr aus ihrer Kindheit geblieben war. Niemals würde sie vergessen, wie sie mit neun Jahren einmal in dem Schacht einer alten, aufgegebenen Mine festgesessen hatte, einer primitiven Konstruktion, hundert Jahre alt, morsch und baufällig. Das Ganze war in sich zusammengebrochen und auf sie gestürzt, hatte ihre Schreie gedämpft und sie beinahe erstickt. Sie war bei lebendigem Leib begraben gewesen, elf Stunden und zweiundzwanzig Minuten in der feuchten, fauligen Erde gefangen gewesen. Ihr war es wie eine Ewigkeit erschienen. Nicht einmal mit ihren besonderen Gaben war sie stark genug gewesen, die Schichten von Erde und Felsen zu bewegen, die über ihr lagen. Allein und völlig verängstigt hatte sie in der schrecklichen Dunkelheit darauf gewartet, dass ihr Stiefvater sie rettete.
    Irgendetwas hatte sich in den dunklen Innereien der Höhlen bewegt, und es war nichts Menschliches gewesen. Sie hatte rote Flammen in glühenden Augen gesehen und totes Fleisch gerochen. Das Wesen hatte sie gequält. Sie hatte seine schnarrende Stimme gehört, Haut gesehen, die sich straff über einen Schädel spannte, spitze, mit Blut beschmierte Zähne und lange, scharfe Krallen als Fingernägel. Als sie in jener Nacht schreiend in ihrem Bett aufgewacht war, hatten ihre Eltern ihr immer wieder versichert, es wäre nur ein Produkt ihrer Fantasie gewesen. Colby fiel es noch heute schwer, zu glauben, dass sie sich ein so grausiges Geschöpf hätte ausdenken können.
    Armando Chevez hatte den Eingang zu dem alten Bergwerk verschließen lassen, und Colby war nie wieder dorthingegangen, um die Höhlen zu erforschen. Ihr erschien dieser Ort wie ein riesiges Spinnennetz, das auf ihre Rückkehr lauerte. Als Armando nach dem Flugzeugunfall gelähmt war, hatte Colby noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, wie gefährlich die Minen waren, und Paul und Ginny strikt verboten, jemals auch nur in die Nähe zu gehen. Sie erlaubte Paul nicht, in diesem Bereich die Zäune zu kontrollieren, und übernahm diese Aufgabe entweder selbst oder überließ es Pete.
    Der Zaun war in sich zusammengesunken, und Stacheldraht wand sich um einen umgestürzten Pfosten. Colby konnte sehen, dass ein Lederhandschuh im Draht hing. Deshalb stieg sie hastig ab und lief zu der Stelle. Genau hier trafen die drei Grundstücke zusammen. Everetts Land stieg steil hinter ihrem auf und verlor sich in einem dichten Waldgebiet. Daniels' Boden erstreckte sich in Richtung Süden auf sanften Grashügeln. Er hatte das Gebiet mit einer Reihe kleiner Schuppen bebaut und überall alte Geräte abgestellt. Seine Müllkippe, dachte Colby trocken. Macht den Ort auch nicht unbedingt anheimelnder.
    Sie befreite den Handschuh vorsichtig aus dem Stacheldraht und hielt ihn hoch, um ihn näher zu begutachten. Das Geräusch eines Steins, der unvermittelt herunterrollte, ließ sie herumfahren. Im selben Moment warf Domino den Kopf hoch, spitzte die Ohren und schnaubte laut. Colby trat näher zu dem Pferd und zog geräuschlos ihr Gewehr aus dem Sattelgurt. Das Herz steckte ihr in der Kehle, als sie sich umdrehte. Ein paar Meter entfernt stand ein Mann, der sein Pferd hielt. Er schien genauso erschrocken zu sein wie sie.
    Colby entspannte sich, als sie den Vormann von Clinton Daniels' Ranch erkannte. »Du tauchst an den unwahrscheinlichsten Orten auf, Tony«, begrüßte sie ihn. »Danke, dass du mir zehn Jahre meines Lebens geraubt hast.«
    Er kam langsam näher, wobei sein Blick den Handschuh in ihrer Rechten streifte und dann auf dem Gewehr ruhte, das sie hielt. »Ich hatte auch nicht erwartet, dich

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