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Verführer der Nacht

Titel: Verführer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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brauchte.
    Vorsichtig umkreiste sie die Stelle und achtete dabei sorgfältig darauf, keine etwaigen Spuren zu zerstören, die ihr verraten könnten, was passiert war. Noch bevor sie bei dem Leichnam war, wusste sie, dass es Pete war. Er war schon seit Tagen tot. Es sah so aus, als wäre er oben auf dem Felsvorsprung ausgerutscht und gestürzt. Er musste mit dem Hinterkopf auf dem kleinen Felsen, in dessen Nähe er lag, aufgeschlagen sein. Der Felsen war voller Blut, ebenso wie Petes Hemd.
    Colby entdeckte die Scherben einer zerbrochenen Whiskeyflasche, die ringsum auf dem Boden verstreut lagen, und schloss die Augen. Sie fühlte sich plötzlich unendlich müde, und ihre Kehle brannte von ungeweinten Tränen. Einen kurzen Moment lang ruhte ihre Hand auf Petes Arm, bevor sie sie hastig zurückzog und sehr, sehr erschrocken zurückwich.
    Sie fühlte es im selben Moment, als sie ihn berührte: Es war kein Unfall gewesen! Pete war ermordet worden! Colby war sich sicher. Sie wusste nicht, wer oder warum, nur, dass jemand ihn getötet hatte. Die Schwingungen von Gewalt erschütterten immer noch den Boden, die Felsen und vor allem Petes Körper. Colby untersuchte vorsichtig das Gelände. Sie wollte die Informationen erhalten, die die Erde ihr geben konnte, andererseits aber nichts am Tatort verändern.
    Sie lief zurück zu Domino und verbarg ihr Gesicht an seinem Hals. Dieses eine Mal hielt er still, als wüsste er, dass er sie mit seiner Nähe tröstete.
    Colby? Ihr Name erklang leise in ihrem Bewusstsein. Wärme drang in die Kälte ihres Körpers. Pequena, ich fühle deinen Schmerz. Ich kann nicht zu dir kommen. Teile deine Gefühle mit mir, mein Kleines. Lass dir von mir helfen.
    Die Worte waren da, leise und samtweich, aber real. Sie konnte sie hören; sie erkannte Rafaels Stimme und spürte seine Gegenwart. Sie spürte auch die gewaltige Anstrengung, die es ihn kostete, sie über eine offenbar ungeheuer große Entfernung zu erreichen. Es hätte sie schockieren sollen, aber sie nahm es hin. Sie war anders. Er war anders. Zum ersten Mal seit Jahren sehnte sie sich danach, sich jemandem in die Arme zu werfen und zu weinen. Es störte sie nicht einmal, dass er sie »Kleines« nannte.

Kapitel 4
    S ieht nicht gut aus, Colby«, bemerkte Ben und schlenderte zu dem großen, runden Felsen, auf dem sie kauerte. »Tut mir leid, Süße, ich weiß, wie lieb du den alten Mann gehabt hast. Ich hätte auf dich hören sollen.« In dem unbeholfenen Versuch, sie zu trösten, legte er eine Hand auf ihre schmalen Schultern.
    »Es ist nicht deine Schuld, Ben. Er muss schon tot gewesen sein, als ich ihn als vermisst meldete.« Colby rieb sich die pochenden Schläfen und blickte zum Sheriff auf. »Es war kein Unfall, nicht wahr?«
    Ben stieß einen tiefen Seufzer aus. Colby war schon immer sehr leicht zu durchschauen gewesen. Er konnte ihre Trauer erkennen und eine Müdigkeit, als lastete das Gewicht der ganzen Welt auf ihr. »Bevor wir nicht mehr wissen, behandeln wir die Sache als Totschlag. Ich habe Fotos vom Tatort gemacht; mit der Spurensicherung sind wir inzwischen fertig. Ich weiß, dass es ein langer Vormittag für dich war, aber wir mussten das erledigen, bevor wir die Leiche wegbringen konnten.«
    »Ich kann auch Spuren lesen, Ben. Pete ist nicht von dieser Klippe gestürzt. Er wurde von hinten angegriffen. Die Blutspritzer passen nicht zu einem Sturz. Und sein Körper ist nicht zerschlagen genug. Seine Knie sind zuerst auf dem Boden aufgeschlagen, als hätte es ihm die Beine weggezogen.« Ein Schluchzen stieg ihr in die Kehle, und sie wandte den Blick ab und presste eine Hand auf ihren weichen, bebenden Mund.
    Ben fluchte leise. »Es schaut schlimm aus. Ihr müsst vorsichtig sein, du und deine Geschwister, Colby. Ich weiß nicht, was hier vorgeht, aber es gefällt mir nicht.«
    Ohne seine ausgestreckte Hand zu beachten, sprang Colby von dem Felsen und lief ein paar Schritte weg, um sich die Tränen abzuwischen, die ihr unaufhaltsam übers Gesicht liefen. »Wer hat ihm das angetan, Ben? Er war in den Siebzigern. Er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Er hatte kein Geld. Warum sollte jemand so etwas machen?«
    »Geh nach Hause, Süße, und überlass das mir. Du musst zu deinen Geschwistern.« Ben ließ sich nicht anmerken, wie aufgebracht er war. Die Sache ging ihm sehr nahe. Irgendjemand hatte Pete umgebracht, daran bestand kein Zweifel. Ben hatte jeden Zentimeter der Klippe abgesucht. Jemand war dort oben gewesen und hatte

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