Verführer der Nacht
herab und wirkten völlig unschuldig, aber das Gefühl war so real, dass sie sich dabei ertappte, heftig zu erröten. »Ihre Fähigkeit, sich heimlich an Frauen anzuschleichen?« Colby versuchte, die Stirn in strenge Falten zu ziehen. Ihr verräterischer Mund war bereits trocken. Sie rieb sich die Handflächen an ihren verwaschenen Jeans ab und stieß mit der Stiefelspitze einen Ballen Heu an, um Rafael nicht anschauen zu müssen. Es wäre ein fabelhafter Zeitpunkt für ein Erdbeben gewesen, bei dem sich unter ihr die Erde auftat und sie verschlang.
Sein Lachen war leise und einladend. Er trat einen Schritt näher und zwang Colby damit, erneut den Rückzug anzutreten. »Bis jetzt sind Sie die einzige Frau, an die ich mich je heimlich angeschlichen habe.« Colby wich noch weiter zurück, bis sie mit dem Rücken förmlich an der Wand klebte. Rafael streckte nachlässig eine Hand aus und brachte sie vor den Metallhaken in Sicherheit.
»Wollten Sie etwas Bestimmtes, oder sind Sie einfach nur gekommen, um mich in Rage zu bringen?« Sie funkelte ihn an und gab sich dabei große Mühe, möglichst furchteinflößend auszusehen. Dass er sich noch nie an Frauen angeschlichen hatte, glaubte sie gern. Wahrscheinlich warfen sie sich Rafael De La Cruz bereitwillig an den Hals.
Sein Lächeln vertiefte sich und zeigte erstaunlich weiße Zähne. »Glauben Sie das von mir, pequena? Dass ich Sie in Rage bringen will?« Er beugte sich zu ihr vor, stemmte eine Hand neben ihrem Kopf an die Wand und hielt sie buchstäblich gefangen. »Als Rage hätte ich Ihre Reaktion auf mich eher nicht bezeichnet.«
Colby hielt den Atem an, als seine muskulöse Gestalt sie streifte. Ihre Beine waren wackelig, ihre Brüste schmerzten, und jeder Nerv erwachte prickelnd zum Leben. Die Hitze seines Körpers war unglaublich, und sie hatte das Gefühl, dass die Raumtemperatur beträchtlich gestiegen war.
Seine Hand langte nach einem Zaumzeug und zog es aus dem Wandregal. Colby hätte schwören können, dass er leise lachte, als er sich umdrehte, um sich auf einen Ballen Heu zu setzen. Aber als er aufblickte, verriet Rafaels ausdruckslose Miene keine wie auch immer geartete Emotion. »Wollen Sie da stehen bleiben, oder helfen Sie mir?«, fragte er und klopfte einladend neben sich auf das Heu.
Sie starrte ihn an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. Seine Hände machten sich mit sicheren und geschickten Bewegungen an dem Zaumzeug zu schaffen. Während sie ihn beobachtete, zählte sie ihre Herzschläge. Schließlich ging sie widerwillig die zwei Schritte, die sie von ihm trennten, auf ihn zu. »Sie wollen mir dabei helfen? Okay, was ist der Haken, De La Cruz?«
»Ich denke, es wäre ein guter Zeitpunkt, mich Rafael zu nennen«, sagte er ruhig.
Colby zögerte einen Moment, bevor sie sich neben ihn setzte, wobei sie darauf achtete, seinen Körper nicht einmal zu streifen. Trotzdem konnte sie die Hitze spüren, die er ausstrahlte. »Meinetwegen«, erwiderte sie mit einem Seufzer. »Was ist der Haken bei der Sache, Rafael?«
»Ist das Ihre Lebensphilosophie?«, gab er freundlich zurück. »Dass es immer ein Haar in der Suppe gibt? Interessante Anschauungsweise. Ist das eine amerikanische Tradition?«
Sie warf ihm unter ihren langen Wimpern einen tadelnden Blick zu. »Sie wissen genau, dass es nichts dergleichen ist. Mir ist nur im Lauf der Jahre mehr als ein Mal klar geworden, dass fast alles seinen Preis hat.«
Er zog seine dunklen Augenbrauen hoch. »Einschließlich schlichter Freundschaft?«
Sie sah ihn nicht an, sondern konzentrierte sich auf ihre Arbeit. »Ich glaube nicht, dass Sie wissen, was schlicht ist. Was wollen Sie von mir, De La Cruz?«
»Fällt es Ihnen so schwer, mich beim Vornamen zu nennen?«, fragte er leise. Der Klang seiner Stimme überspülte sie, streichelte ihr Inneres und brachte etwas in ihrem Unterleib zum Schmelzen.
»Ich halte nichts davon, mich mit dem Feind zu verbrüdern.« Sie warf einen Blick auf seine makellos geschnittenen Züge und schaute schnell wieder weg. »Sie sind der Feind, Rafael.« Sie benutzte absichtlich seinen Vornamen, um ihm zu beweisen, dass sie keine Angst vor ihm hatte. Es erwies sich als Fehler. Es schuf in der kleinen Kammer eine unerwünschte Intimität. »Sie wollen meine Geschwister ... und die Ranch.« Colby hob unvermittelt den Kopf und sah ihm in die Augen. »Vor allem aber wollen Sie nach Hause, und ich bin Ihnen im Weg.« Sie starrte ihn so unverwandt an, als wollte sie etwas
Weitere Kostenlose Bücher