Verführer der Nacht
»Wie bitte? Wozu, in aller Welt?«
Er konzentrierte die ganze Kraft seiner schwarzen Augen auf sie, Augen, die ausgesprochen faszinierend waren. Hypnotisch. Verboten sexy. »Warum bemühen sich Männer im Allgemeinen um Frauen, Colby? Ich denke, das können Sie selbst herausfinden.« Seine Stimme war samtweich und rau zugleich, und sein Akzent machte eindeutig einen Teil seines Charmes aus.
Colby konnte fühlen, wie ihre Haut brannte. Kleine Flammen schienen an all ihren Nervenenden zu lecken. Sie warf ihm unter ihren langen Wimpern einen strengen Blick zu. »Ich glaube, Sie sind es einfach gewohnt, dass Ihnen die Frauen zu Füßen liegen, und ertragen es nicht, wenn eine es nicht tut. Ich bin ein praktischer Mensch, Rafael. Männer wie Sie bemühen sich nicht um Frauen wie mich.«
Sein Blick glitt wie ein Hauch von Samt über sie, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen, und bewirkte, dass ihre Haut in Flammen stand und tiefe Röte ihr Gesicht überzog.
»Sehen Sie, genau das meine ich«, warf sie ihm vor. »Sie haben Ihr Leben lang nichts anderes gemacht, als Frauen zu verführen, und ich betrachte Männer als Freunde oder Kollegen. Sie wissen doch gar nicht, wie man eine freundschaftliche Beziehung zu einer Frau aufbaut. Und ich weiß nicht, was ich mit einem Mann anfangen soll, der mich verführen will.«
Seine Zähne waren weißer denn je, sein Lächeln ein wenig spöttisch. »Ich glaube nicht, dass Sie die Situation, in der Sie sich befinden, ganz erfassen. Ich werbe um Sie, wie ein Mann um seine Braut wirbt. An einer Geliebten, die ein paar Nächte mein Bett mit mir teilt, bin ich nicht interessiert. Sie brauchen nicht zu wissen, wie man mit Verführung umgeht. Ich weiß darüber genug für uns beide.«
Colby schnappte hörbar nach Luft und starrte ihn mit offenem Mund an. »Hören Sie sich eigentlich noch selbst zu, wenn Sie diesen Mist verzapfen?« Sie sprang auf und entfernte sich hastig ein paar Schritte von ihm, um ihn nicht mi dem Zügel zu erwürgen. »Soll es etwa ein Kompliment sein dass Sie mich als Braut wollen und nicht als Geliebte? Wie viele hatten Sie denn schon? Gibt es nach der Hochzeit eine feste Zahl, oder überlassen Sie das dem Zufall?«
Sie war so schön, dass es ihm den Atem verschlug. In ihrer zierlichen Gestalt steckte ein eiserner Kern, ein unbezähmbarer, hart erkämpfter Stolz. Er schaute sie an und sah sich selbst mit ihren Augen. Was hatte er aus seinem Leben gemacht? Sie wusste nichts von ihm, kannte nur das von ihm und seinen Brüdern sorgfältig kultivierte Image des reichen Playboys.
Wen liebte er? Wer bedeutete ihm etwas? Mitglieder der Familie Chevez, die seit Jahrhunderten mit ihnen lebte und ihre Geschäfte führte? Seine Brüder, die er nur aufgrund verschwommener Erinnerungen liebte? Aber Colby kannte ihn ausschließlich kalt und unbewegt. Sie hatte gesehen, dass er kaum Interesse an anderen hatte. Menschen galten ihm ungefähr so viel wie seine Tiere und sein Besitz. Es war notwendig, sie zu beschützen, aber das war eine Frage der Ehre, mehr nicht. Frauen waren für ihn im Grunde ein Objekt der Begierde und leichte Beute für einen so attraktiven Mann wie Rafael. In Colby Jansens Augen schien er nicht mehr als ein ziemlich nutzloser Weiberheld zu sein. Sie fand ihn anziehend und sexy, aber auch kalt und grausam. Wertlos. Er entdeckte leichte Verachtung in ihrem Bewusstsein, als es ihm gelang, Colbys innere Schutzbarrieren zu überwinden. Für sie war er der Prototyp des Latin Lovers und sein Leben eine endlose Abfolge von Partys und Frauen. Rafaels Finger schlossen sich um das alte Leder.
Colby wusste, wie es war, bedingungslos und leidenschaftlich zu lieben. Sie arbeitete hart, ohne zu klagen, ohne an etwas anderes als diejenigen zu denken, die ihr am Herzen lagen. Rafael ertappte sich bei dem Wunsch, zu den Wenigen zu gehören, die für sie zählten. Sie auf seine Ländereien mitzunehmen und sie für sich zu beanspruchen würde ihm nicht ihre aufrichtige Liebe einbringen. Sie war seine Gefährtin und reagierte körperlich auch so auf ihn, aber ihr Herz und ihr Geist betrachteten ihn als eine eher nutzlose Person. Er stellte fest, dass ihm ihre Einschätzung gar nicht gefiel, mehr noch, dass ihm ihre Meinung wichtig war.
Rafael und seine Brüder waren zu einer Zeit, in der Krieg und Verwüstung herrschten, aus den Karpaten in die Welt hinausgeschickt worden. Damals hatten sie ihre Fähigkeit, Farben zu sehen und Gefühle zu haben, schon lange verloren gehabt, aber
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