Verführer der Nacht
entdecken, das er ihr verheimlichte.
Rafael spürte die plötzlichen Schwingungen von Macht, einer Macht, die stark und zielgerichtet war. Er wusste, dass Colby versuchte, an die Informationen in seinem Bewusstsein heranzukommen und eine Erklärung für seine plötzliche Veränderung zu finden. Freude stieg in ihm auf, aber er drängte seinen Triumph tief in sein Inneres zurück. Als er scheinbar beiläufig nach dem nächsten Lederstück griff, streifte er mit seinem Arm ihren Körper. »Vor ein paar Tagen war es so. Jetzt nicht mehr.«
»Was hat sich geändert?« Ihre Stimme klang mehr als skeptisch.
»Ich habe Sie getroffen.« Er sagte es leise, aber eindringlich. Alles hatte sich verändert. Er würde nach Hause zurückgehen, doch Colby Jansen würde ihn begleiten. Nichts anderes war von Bedeutung. Er musste sie haben, koste es, was es wolle. Im Grunde sollte er sie einfach mitnehmen. Er hatte genug Macht, um sie zu entführen und in sein ureigenstes Territorium zu bringen, aber seine Gefühle für sie hinderten ihn daran. Sie sah so traurig und müde aus ! Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen, sie an sich gezogen und getröstet. Rafael war ein Vampirjäger, ein Mann der Tat und der schnellen Entscheidungen. Nach den weit mehr als tausend Jahren seines Daseins fand er sich jetzt auf einem völlig neuen Territorium wieder. »Was Ihrem Freund passiert ist, tut mir sehr leid. Sean hat mir erzählt, dass Sie sehr gut zu dem Mann waren. Tut mir leid, ich weiß seinen Namen nicht.«
»Pete. Pete Jessup.« Ihre Kehle war wie zugeschnürt, aber sie würgte ihre Empfindungen hinunter und fuhr fort: »Er war mir ein sehr guter Freund. Ich weiß nicht, ob ich die Ranch ohne ihn führen kann. Er konnte nicht alle Arbeit machen, doch er hat mir wertvolle Ratschläge gegeben. Jeder glaubte, Pete wäre ein Fall für die Wohlfahrt, aber er wusste unglaublich viel über die Leitung einer Ranch; er hat sein Leben lang auf der einen oder anderen Ranch gearbeitet und war bereit, mir alles beizubringen.« Und außer guten Ratschlägen hatte er ihr Freundschaft geschenkt.
Colby hängte das Zaumzeug, an dem sie gearbeitet hatte, auf und suchte nach dem nächsten reparaturbedürftigen Stück, um Rafael nicht anschauen zu müssen. Sie war verlegen und leicht beschämt, weil sie so private Informationen weitergegeben hatte. Rafael De La Cruz war eine Gefahr für sie. Auf so engem Raum wie hier konnte sie sein Bedürfnis spüren, sie zu trösten und zu beschützen, und das war sehr gefährlich für ihren Seelenfrieden.
»Sie sind eine Frau, Colby. Sie sollten nicht dazu gezwungen sein, eine Ranch zu führen.« Er sagte es so leise und sanft, dass sie es zunächst kaum wahrnahm.
Einen Moment lang saß sie still neben ihm, bis seine Worte in ihr Bewusstsein sickerten. Wieder spürte Rafael das rasche Anschwellen einer Macht, die den ganzen Raum erfüllte, bis sich die Wände fast nach außen bogen. Colby bemühte sich, ihr Temperament im Zaum zu halten. Sie fuhr sich mit einer Hand durch ihr dichtes Haar und holte mehrmals tief Luft, während sie einen inneren Kampf ausfocht. »Ich denke, es ist besser, wenn Sie jetzt gehen, Rafael«, erklärte sie schließlich. »Ich weiß Ihren Versuch, Freundschaft zu schließen, wirklich zu schätzen, aber wir werden nie Freunde sein.«
Seine dunklen, unergründlichen Augen, die tausend Geheimnisse zu verbergen schienen, glitzerten sie an. »Ich glaube, wir werden lernen, sehr gute Freunde zu sein.« Sein Lächeln war unverhohlen sexy, seine Zähne sehr weiß. »Aber zuerst müssen Sie aufhören, so kratzbürstig zu sein.«
Trotz des schrecklichen Tages, den sie hinter sich hatte, trotz ihrer Sorgen um die Ranch und der Tatsache, wer Rafael De La Cruz war, hätte Colby beinahe über seine Wortwahl gelächelt. Ihr Bruder und Ben Lassiter warfen ihr genau dasselbe vor. »Ich bin keine Kratzbürste.« Als seine Augen weiterhin unverwandt auf ihr ruhten, zuckte sie die Schultern. »Okay, ein bisschen vielleicht, wenn es um Sie geht. Ich mag Sie nicht.«
Er beugte sich so dicht zu ihr, dass sein Oberschenkel ihren streifte. »Schmeicheln Sie allen Männern so, oder genieße nur ich dieses Privileg?«
»Tut mir leid, das war ziemlich unhöflich. So bin ich normalerweise nicht.« Sie rieb sich die Stirn. »Das hoffe ich wenigstens. Okay, manchmal vielleicht. Was wollen Sie hier?«
»Ihnen den Hof machen.« Das klang reichlich altmodisch.
Ihre grünen Augen hefteten sich auf sein Gesicht.
Weitere Kostenlose Bücher