Verführer oder Gentleman? (German Edition)
sehr viel zu verschenken. Aber vorher müssen Sie sein Vertrauen gewinnen. Dann wird er Ihnen die Welt zu Füßen legen – eine Welt, die nichts mit materiellen Dingen zu tun hat.“
Von Emotionen überwältigt, presste Juliet den Brief an ihre Brust. Also hatte er sie trotz ihres niedrigen Standes zur Frau nehmen wollen. Oh, Dominic, du Narr, warum hast du mir das nicht gesagt? Natürlich hätte sie seinen Antrag abgelehnt, weil Herzöge ihre Angestellten nicht zu ehelichen pflegten. Doch er hatte seine Heiratsabsichten gehegt, ohne von ihrer neuen erlauchten Position und ihrem reichen Erbe zu wissen. Nur das zählte.
Ihr Lächeln drückte ungläubiges Staunen aus, bis sie letzten Endes die reine Wahrheit erkannte – sosehr er auch dagegen ankämpfte, sie musste ihm etwas bedeuten, sonst hätte er sie nach jenem peinlichen und für ihn überaus blamablen Missverständnis in den Vauxhall Gardens wohl kaum mit seinen Heiratsanträgen verfolgt.
Leichteren Herzens las sie weiter. Und dann schien ein plötzliches Dunkel auf die Terrasse herabzusinken, denn Lady Pemberton schilderte, was zwischen ihrem Bruder und Amelia geschehen war. Mit einer wohlüberlegten Einschätzung half sie Juliet zu verstehen, warum Dominic so oft kühl und unnahbar wirkte – und was diese Frau ihm zuleide getan hatte.
Die beiden hatten einander geliebt. Zumindest auf seiner Seite war es echte Liebe gewesen. Die Hochzeitsfeierlichkeiten wurden arrangiert, Gäste von nah und fern eingeladen. Ein grandioses Fest sollte es werden, Londons Hochzeit des Jahres. Weder Mühe noch Kosten waren gescheut worden.
„Was Amelia tat, war ungeheuerlich. Sie ließ ihn vor dem Traualtar stehen, brannte mit einem seiner Freunde durch, und sie gingen an Bord eines Schiffes mit Kurs auf Amerika. So schrecklich war es, Dominics wilde Wut und seine Demütigung mit anzusehen … Ich erfuhr zuerst vom Untergang des Schiffes – vom Tod aller Passagiere. Als ich meinen Bruder darüber informierte, schwieg er. Nicht einmal mit der Wimper zuckte er …“
Juliet senkte den Kopf. Endlich verstand sie, warum Dominic keine Frau näher an sich heranließ und seine Gefühle stets bezähmte. Kein Wunder, dass er sich nach jener bitteren Enttäuschung nicht mehr verlieben wollte … Das durfte sie ihm nicht verübeln.
Reumütig seufzte sie. Einen stolzen Mann wie Dominic musste ihre mehrmalige Ablehnung seines Heiratsantrags maßlos erzürnt haben. Bisher war es ihr Ziel gewesen, sich möglichst weit von ihm zu entfernen und ihre Emotionen im Zaum zu halten. Aber sie fühlte sich so machtvoll zu ihm hingezogen. Obwohl man ihn einen Wüstling, eines herzlosen, arroganten Aristokraten nannte, wünschte sie sich inständig, er würde ihr sein Vertrauen schenken und ihr seine Liebe erklären, so wie es auch Lady Pemberton erhoffte.
Das gestand sie sich endlich in der Tiefe ihres Herzens ein, denn wie sie jetzt erkannte, war er viel besser als sein Ruf. Ganz egal, wie viele Frauen das berauschende Wunder seiner Liebeskünste genossen hatten – sobald er mit ihr verheiratet war, würde er keine anderen Betten aufsuchen und nur ihr gehören.
„Alles mache ich wieder gut, mein Liebster“, flüsterte sie in die milde Spätsommerluft. „Bis in alle Ewigkeit werde ich dich lieben und dir niemals einen Grund geben, daran zu zweifeln. Das verspreche ich dir hoch und heilig.“
Juliet nahm gerade auf der Koppel Reitunterricht bei einem der Stallburschen, als ein hochgewachsener Mann über das Gras zu ihr ging. Seit sie Lady Pembertons Brief gelesen hatte, rechnete sie mit der Ankunft des Dukes.
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, übergab sie dem Stallknecht die Zügel. Dann machte sie einige Schritte in Dominics Richtung. Hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Sorge, spürte sie, wie ihr Herz immer heftiger hämmerte. Bei der letzten Begegnung war sie sehr unfreundlich gewesen. Würde er ihr zürnen?
Mitten auf der Koppel blieb sie zaudernd stehen, um zu warten, bis er sie erreichte. Sie sah sein markantes Gesicht mit den sinnlichen Lippen und dem energischen Kinn. Und in ihrer Fantasie erschien ein jüngerer Dominic, der vor dem Altar seiner geliebten Braut entgegenfieberte, von der treulosen Amelia zutiefst erniedrigt wurde und sich in seinem qualvoll verletzten Stolz gelobte, nie wieder in eine solche Falle zu tappen.
Ein seltsames Gefühl schmerzhafter Zärtlichkeit verengte ihr die Kehle. Unwillkürlich strebte Juliet ihm entgegen. Die Glut in seinen Augen
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