Verführer oder Gentleman? (German Edition)
dicht neben ihr lag.
Offenbar spürte er ihr Unbehagen, und er erriet auch den Grund, der ihn zu amüsieren schien. Er sprang auf, ergriff sein weißes Hemd, das er über die Hecke geworfen hatte, und schlüpfte hinein. „Keinesfalls möchte ich mit meiner spärlichen Kleidung Ihre sittlichen Gefühle verletzen, Miss Lockwood“, beteuerte er, wieder an ihrer Seite. „Sonst würde ich Ihnen womöglich heiße Schamröte in die Wangen treiben.“
Statt zu antworten, lächelte sie nur. Erleichtert atmete sie auf, weil er ihr den Anblick seiner nackten Haut ersparte. Aber sie war nach wie vor verwirrt, weil er so wundervoll aussah mit dem dichten schwarzen Haar, das von der anstrengenden Arbeit völlig zerzaust war. Seine Nähe wurde ihr immer intensiver bewusst, und eine ihr unbekannte bedrohliche Erregung ergriff von ihr Besitz.
So wie sie da am Boden saß, konnte sie weder würdevoll noch damenhaft wirken. Nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hatte sie sich vorgestellt, sie würde eines Tages am Rand eines Weizenfelds sitzen, in der unmittelbaren Nähe eines Dukes, der neben ihr im Gras lag. Sie reichte ihm eine Brotscheibe und ein Stück Käse. Für den Bruchteil einer Sekunde streiften sich ihre Hände, und sie betrachtete wie gebannt seine gebräunten Finger. Trotz dieser kurzen Berührung spürte sie eine magische Kraft, ein seltsames Feuer, das noch kein Mann in ihr entfacht hatte.
Unfähig, ihren Blick von seinem Gesicht abzuwenden, zögerte sie, bevor sie das Schweigen brach. Seine Augen übten eine fesselnde Macht auf sie aus, obwohl sie nicht zu ergründen vermochte, was der Glanz in den silbergrauen Tiefen bedeutete. Plötzlich fühlte sie sich hin- und hergerissen zwischen dem Drang, aufzustehen und zu flüchten, und dem Wunsch, den kostbaren Moment zu verlängern.
„Ich … ich wollte eigentlich ein ruhiges Plätzchen suchen und mein Buch lesen, bis ich Dolly mit dem schweren Korb kämpfen sah.“
„Und da beschlossen Sie, ihr zu helfen. Wie rücksichtsvoll von Ihnen, Miss Lockwood …“
Die charmante Art, wie er belustigt die Brauen hob, brachte sie zum Lachen. „Oh, ich erweise meinen Mitmenschen gerne einen Gefallen, wenn sich eine Gelegenheit bietet.“
In seinen silbergrauen Augen erschien ein herausforderndes Funkeln. „Tatsächlich?“
Beklommen errötete Juliet und hoffte inständig, er würde nicht meinen, was sie vermutete. Als er anzüglich lächelte und sie durch gesenkte Wimper musterte, wusste sie Bescheid – genau das meinte er. Deshalb würdigte sie ihn keiner Antwort.
Dominic genoss ihre Gesellschaft. Anerkennend ließ er seinen Blick über ihr Gesicht schweifen, versuchte, ihre Gedanken und Emotionen zu erforschen. Er fand sie schön und anziehend – und sehr interessant. Auch ihre Figur bewunderte er, reizvolle Rundungen, hübsch geschwungene Hüften. Während sie anmutig neben ihm saß, leicht über den Korb geneigt, zeichneten sich unter ihrem Kleid wohlgeformte Brüste ab.
Schließlich richtete er sich auf. Er ergriff die Sichel, die er ins Gras gelegt hatte, und inspizierte die gebogene Klinge. Dann lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf seine bezaubernde Angestellte. Dabei berührte sein Oberschenkel die scharfe Schneide.
„Vorsicht, Lord Lansdowne! Wenn Sie so achtlos mit Ihrer Sichel umgehen, könnte sie Ihnen einen ganz schlimmen Schaden zufügen und womöglich …“
Eine Zeit lang starrten sie einander schweigend an, bis Juliet schelmisch lächelte.
Da brach Dominic in schallendes Gelächter aus, um sein Amüsement über ihre unbedachte Bemerkung zu bekunden. „Fürchten Sie, ich würde mich auf die Klinge setzen? Das hoffe ich nicht, denn ich möchte zahlreiche Kinder zeugen. Aber … meine liebe Miss Lockwood“, fuhr er in gespieltem Entsetzen fort, „zur Strafe für Ihre respektlose Kühnheit sollte man Sie an den Pranger stellen, um andere Leute vor ähnlichen Verfehlungen zu warnen. Die müssten sehen, wozu solch dreiste Äußerungen führen.“
Abermals errötete Juliet. Warum war sie so ungeschickt gewesen, ihre Gedanken laut auszusprechen? Doch sie erkannte die Komik der Situation, nachdem sie verstanden hatte, wie Lord Lansdowne ihre Worte deutete. Nun musste sie ebenfalls lachen, und es dauerte eine Weile, bis sie wieder sprechen konnte.
„Oder ich sollte irgendwo am Galgen baumeln – ein abschreckendes Beispiel für die Bevölkerung, die sich niemals erlauben darf, einem Duke unhöflich zu begegnen.“ In ihren Augen
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