Verführer oder Gentleman? (German Edition)
seiner Position geziemte. Stets begegnete er ihr höflich und rücksichtsvoll. Und hatte Dolly ihm nicht einen geradezu makellosen Charakter bescheinigt?
An diesem Tag trug sie ein schlichtes taubengraues Kleid – längst aus der Mode, aber schmeichelhaft mit einem dezenten Ausschnitt und Puffärmeln. Trotz ihrer unscheinbaren äußeren Erscheinung zog sie die Blicke einiger Feldarbeiter auf sich. Im Gegensatz zu den Dienstmädchen mit ihren weißen Schürzen und Häubchen, die ihr Haar verbargen, fielen ihr die Locken unter dem Hut offen über die Schultern, nur an den Seiten von einem Band aus dem Gesicht gehalten. Ihre Anwesenheit faszinierte die jungen Männer und lenkte sie von all den anderen Mädchen ab, die Speisen und Getränke bereitstellten.
Schließlich gab es nichts mehr zu tun, und Juliet wartete nur noch die Mittagspause ab. Sie setzte sich in den Schatten eines Weidenbaums, breitete ihre Röcke aus und beobachtete die Leute, die auf dem Feld arbeiteten. Lächelnd musterte sie auch die fröhlichen Dienstmädchen, die es sichtlich genossen, der Hausarbeit für kurze Zeit zu entrinnen. Sie kicherten und schwatzten, warfen den jungen Männern kokette Blicke zu und hofften, die attraktivsten würden ihnen bei der Mahlzeit Gesellschaft leisten.
Es fiel ihr nicht schwer, ihren Arbeitgeber zu entdecken, der gerade acht Garben zu einer Getreidestiege zusammenstellte. Nie zuvor hatte sie einen so imposanten Mann gesehen. Wider ihr besseres Wissen ließ sie sich von Gefühlen leiten, von einer Sehnsucht, deren Erfüllung sie nicht erwarten durfte, von aufwühlenden sinnlichen Wünschen. In der Tiefe ihres Herzens entstand ein Feuer, das sie beinahe erschreckte.
Wie die meisten anderen Männer arbeitete auch der Duke mit nacktem Oberkörper. Eine Wildlederhose umspannte seine kraftvollen Beine und schmalen Hüften, in der Taille von einem Ledergürtel festgehalten. Jedes Mal, wenn er eine Garbe ergriff, vibrierten die Muskeln unter seiner bronzebraunen Haut.
Nun glich er kein bisschen dem eleganten Gentleman, der in Lansdowne House residierte – zu braun gebrannt für einen Aristokraten. Doch der Duke schien sich in vornehmen Salons, fashionabel gekleidet, genauso wohlzufühlen wie halb nackt inmitten seiner Feldarbeiter.
Zu Mittag erschien eine gut gelaunte, aber etwas zögernde Arbeitergruppe im Schatten der Hecke. Die Leute versammelten sich rings um die Körbe, und einige Mütter hoben ihre Babys hoch. Unbefangen entblößten sie ihre Brüste und stillten die Kleinen. Alle setzten sich, die Männer tranken Ale und Apfelwein, die Frauen und Kinder kalten Tee. Nachdem sie ihren Durst gelöscht hatten, stärkten sie sich mit Brot und Käse, Schinkenspeck und mit Mrs Reeds saftigem Kuchen.
In der heißen Luft lag der süßliche Duft des Getreides, Schmetterlinge und andere Insekten schwirrten umher. Eine Zeit lang herrschte Stille, alle widmeten sich zufrieden ihrer Mahlzeit, von der Anwesenheit des Dukes nicht im Mindesten verwirrt. Nur zu gern arbeiteten sie an seiner Seite. Ihre einzige Sorge galt der Ernte, die möglichst bald eingebracht werden musste.
Juliet beobachtete, wie er bei den Männern ins Gras sank. Von einem Feldarbeiter angesprochen, verzog er die sinnlichen Lippen zu einem gewinnenden Lächeln.
Lässig zuckte er die Achseln und führte einen Krug mit Ale zum Mund. Seinen Kopf in den Nacken gelegt, nahm er einen großen Schluck, wobei sich seine kräftigen Halsmuskeln bewegten. Dann reichte er den Krug seinem Sitznachbarn, wischte die Lippen mit seinem Unterarm ab und biss in ein Stück Kuchen.
Erst nachdem er den letzten Krümel verspeist hatte, hob er die Brauen, um die Bemerkung eines Arbeiters zu quittieren. Schließlich schaute er in Juliets Richtung. In stummer Faszination musterte er sie eine Weile. Als sie seinen Blick erwiderte, lächelte er, entschuldigte sich bei den Männern und stand auf.
3. KAPITEL
N ur kurzfristig weckte der Duke das Interesse der Leute, während er zu Miss Lockwood ging, dann widmeten sie sich wieder ihrem Mittagessen.
Dominic streckte sich neben Juliet aus und schaute zu ihr auf. „Also haben Sie Ihre geliebten Bücher im Stich gelassen, um die Feldarbeiter zu bedienen, Miss Lockwood.“
„Hoffentlich macht es Ihnen nichts aus, Sir.“
„Gar nichts. An Ihrem freien Tag dürfen Sie tun, was Sie wollen.“
Sein nackter Oberkörper brachte sie in Verlegenheit, und sie versuchte, ihren Blick abzuwenden. Doch das war fast unmöglich, weil er so
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