Verführer oder Gentleman? (German Edition)
erwiderte seinen Blick nicht und starrte geradeaus.
„Oh, das war ganz einfach.“ Lächelnd nahm er am anderen Ende der Bank Platz, legte einen Fuß über sein Knie und wandte sich zu Miss Lockwood.
Unglaublich – war das dieselbe junge Frau, die er in der Stadt gesehen und die sich so enthusiastisch in die Arme des unbekannten Mannes geworfen hatte? Oder dieselbe junge Frau, mit der er auf dem Fest getanzt und die so hingerissen die Geburt des Fohlens beobachtet hatte? Ihr Hut lag neben ihr auf der Bank, ihre Locken schimmerten seidig. Wie immer saß sie kerzengerade da. Unter dem grauen Rocksaum ragten Schuhspitzen hervor.
„Als ich Sie mit einem Buch das Haus verlassen sah, folgte ich Ihnen, Miss Lockwood“, fügte er hinzu.
„Warum? Was möchten Sie mir mitteilen?“ Juliet strich eine Haarsträhne beiseite und beobachtete eine Amsel, die auf dem Brunnenrand gelandet war und ihren Durst stillte.
Wie so oft seit ihrer Ankunft in seinem Haus bewunderte er ihre Schönheit. Und er begehrte sie. Noch bedeutsamer: Weil er ein erfahrener Mann war, wusste er, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte.
„Meine Schwester hat mich beauftragt, Sie zu einer Soiree einzuladen, die morgen in ihrem Haus stattfinden wird. Übrigens wirft sie mir vor, ich würde Ihnen zu viel Arbeit aufbürden. Und ich soll Ihnen ausrichten, sie wäre tief gekränkt, wenn Sie die Einladung ablehnen.“
Endlich schaute Juliet ihn an und seufzte. „Eine Soiree? Unmöglich … Hat Lady Pemberton meinen Status vergessen? Ich bin Ihre bezahlte Angestellte, und ein gesellschaftlicher Umgang mit den Kreisen meines Arbeitgebers wäre unschicklich.“
„Nein, das hat sie nicht vergessen. Aber sie findet Sie liebenswert und möchte Sie unter ihre Fittiche nehmen.“
„Ich brauche keinen Schutz, Lord Lansdowne.“
„Mit dieser Einladung will meine Schwester Ihnen einfach nur eine Freude bereiten.“
„Daran zweifle ich nicht, und Ihre Schwester ist sehr großzügig. Werden Sie dort sein, Lord Lansdowne?“
Er nickte. „Natürlich begleite ich Sie zu der Soiree.“
„Oh …“, murmelte sie und senkte ihre Wimpern. „Das würde sich wohl kaum geziemen.“
Missbilligend runzelte er die Stirn. „Ihr Stolz entwickelt sich allmählich zu einem Ärgernis, Miss Lockwood.“
„Wenn ich Ihr Angebot annehme, würde ich nicht nur meinen Stolz verletzen, sondern auch meinen Ruf ruinieren.“
„Und der ist Ihnen wichtig?“
„Allerdings. Vielleicht überrascht Sie das, Lord Lansdowne – sogar der Ruf einer bezahlten Angestellten darf nicht gefährdet werden. Wenn ich meine Aufgabe hier erledigt habe, muss ich einen anderen Arbeitsplatz suchen. Wer würde mich einstellen, wenn er wüsste, mein Arbeitgeber hätte mich zu einer Soiree begleitet?“
In seinen verengten Augen erschien ein herausfordernder Glanz. „Nun, ich werde Sie bei diesen Bemühungen mit überschwänglichen Referenzen unterstützen.“
„Damit sollten Sie warten, bis ich meine Tätigkeit in Ihrer Bibliothek beendet habe. Meine Leistungen werden Sie möglicherweise nicht zufriedenstellen.“
„Bisher bin ich sehr zufrieden mit Ihnen.“ Seine leise, sanfte Stimme verlieh seinen Worten eine doppelte Bedeutung.
Verstört wich sie seinem Blick aus. Wieder einmal verspürte sie ein seltsames, warmes Gefühl in ihrer Brust, das ihr Unbehagen weckte und ihr zudem brennende Röte ins Gesicht trieb. Irgendwie gewann sie den Eindruck, der Duke würde sie mit seinen durchdringenden Blicken ausziehen. Das erfüllte sie mit prickelndem Entzücken – und wachsender Angst.
Er schien ihre Gedanken zu erraten, denn sein Lächeln wirkte triumphierend. „Was lesen Sie denn gerade, Miss Lockwood?“
Nachdem sie sich gezwungen hatte, ihn anzuschauen, konnte sie ihren Blick nicht mehr abwenden. Auf die Emotionen, die ihren ganzen Körper durchströmten, war sie nicht vorbereitet. Wie sie, einer Panik nahe, erkannte, geriet sie in ernsthafte Gefahr, die nicht von Dominic Lansdowne ausging, sondern von ihr selbst. Keinesfalls durfte er ihr näherkommen. Denn ihr Arbeitgeber war der geborene Verführer. Daran musste sich stets erinnern.
„Ein Buch über die Französische Revolution und Napoleon Bonapartes Aufstieg zur Macht“, antwortete sie. „Für Frankreich waren das schwere, grausame Zeiten, während sich die Bürger vereinten – gleichberechtigte Verbündete, die gegen die herrschende Klasse kämpften.“
„Aber interessante Zeiten.“
„Wenn Sie sich genauer
Weitere Kostenlose Bücher