Verführer oder Gentleman? (German Edition)
lachte begeistert. „Was für ein zauberhafter Anblick!“, schwärmte sie. „So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen. Und wie tapfer die Mutter war! Schauen Sie doch, der kleine Hengst beginnt schon zu saugen! Welch ein süßes Kerlchen!“
Nachdem Dominic die Stute und ihren Sohn eine Zeit lang wohlgefällig betrachtet hatte, stand er auf und trat an Juliets Seite. Die strahlende Freude, die er auf ihrem Gesicht las, bewegte sein Herz genauso wie die erfolgreiche Niederkunft.
„Ja, die Geburt eines Pferdchens ist jedes Mal wunderbar. Obwohl ich dieses Ereignis oft genug beobachtet habe, beeindruckt es mich stets aufs Neue – als wäre es das erste Mal.“
„Vielen Dank, dass ich es mit ansehen durfte, Lord Lansdowne. So winzig ist der Hengst! Und diese langen Beinchen, die knubbeligen Knie, das hübsche Fell! Diese Farbe gleicht dem Adlerfarn, der im Herbst die Hügel bedeckt.“
„Ja, das stimmt. Deshalb wäre ‚Adler‘ ein passender Name. Was meinen Sie, Miss Lockwood?“
In ihrer Brust regten sich seltsame Gefühle, die ihr das Atmen erschwerten, aber ihren ganzen Körper angenehm erwärmten. Sie blickte zu Lord Lansdowne auf, von seinen Augen gefesselt, und konnte nicht glauben, was er ihr vorschlug. Sollte sie tatsächlich einen Namen für dieses schöne Tier aussuchen? Erwies er ihr wirklich diese Ehre?
„Bedeutet das – ich darf den kleinen Hengst benennen?“
„Warum nicht?“ Lässig zuckte der Duke die Achseln. „Irgendwie muss er ja heißen.“
„Oh, dann entscheide ich mich für ‚Adler‘.“
„Gut, das wäre also geklärt.“
Juliet seufzte, und es widerstrebte ihr, den Stall zu verlassen, als sie das Fohlen keck zwischen den Beinen seiner Mutter hervorspähen sah. „Hier ist es so friedlich.“
„In allen Ställen herrscht eine friedliche Atmosphäre, weil die Pferde und die Menschen, die sie betreuen, normalerweise einen sanftmütigen Charakter besitzen.“
„Da ist es so warm und das Licht so mild“, murmelte sie. „Und diese himmlische Stille … Beinahe höre ich Herzschläge.“
„Sicher sind es meine. Und Sie haben recht, das alles spielt zusammen.“ Er wandte sich zu ihr. „Dazu kommt noch reine Schönheit.“ Doch er musterte nicht die Stute und ihr Fohlen, sondern Juliet. Ein schwaches Lächeln erhellte sein Gesicht.
„Ja“, bestätigte sie, von einem leichten Unbehagen erfasst, „die beiden sind bildschön.“
Unter dem Vorwand, die Pferde genauer zu betrachten, wich sie einen Schritt zur Seite.
„Nun muss ich gehen, Lord Lansdowne. Dolly wird sich schon fragen, wo ich sein mag. Vorhin versprach ich ihr, ich würde nicht lange wegbleiben. Gewiss ist sie müde nach dem Fest und sehnt sich nach ihrem Bett.“
Dominic folgte ihr aus dem Stall. Anerkennend beobachtete er ihren anmutigen Hüftschwung, der ganz natürlich und trotzdem auf dezente Weise provozierend wirkte.
Im Freien war die Luft frisch und kühl, vom Geruch nach Stroh und Kochfeuern erfüllt.
Juliet hielt inne und drehte sich zu Dominic Lansdowne um – unfähig zu glauben, was sie in seinen Augen las. „Warum schauen Sie mich so an?“, fragte sie unverblümt. Sicher bildete sie sich nur etwas ein …
Nein, sie täuschte sich nicht.
„Im Stall habe ich nicht die Pferde gemeint“, erwiderte er leise und trat näher zu ihr. Ins Mondlicht getaucht, von Schatten umgeben, stand sie da, der sanfte Nachtwind bewegte ihr Haar und streichelte die zarte Haut ihres Halses. „ Sie sind schön, Miss Lockwood – und noch viel mehr, nämlich zauberhaft. Wie sehr mich Ihre Gesellschaft beglückt, kann ich gar nicht in Worte fassen.“
Erschrocken starrte sie ihn an. Einige Sekunden lang konnte sie sich nicht rühren, dann wich sie vor ihm zurück und straffte die Schultern. „Ich fürchte, Sie haben zu viel Apfelwein getrunken, Lord Lansdowne, und der benebelt Ihr Gehirn. Falls Sie die Situation irgendwie missverstanden haben, würde ich es zutiefst bedauern. Aber Sie irren sich, wenn … wenn Sie dachten …“
„Oh!“ In gespieltem Staunen hob er eine Braue. „Wenn ich – was dachte?“
Sein leises Gelächter und sein Blick, halb spöttisch, halb mutwillig und unverhohlen begehrlich, trieben flammende Röte in ihre Wangen.
„Ja, Sie haben sich geirrt. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss Dolly suchen.“ Abrupt kehrte sie ihm den Rücken und eilte davon, ehe er sie mit weiteren Fragen verwirren konnte.
Beklommen schaute sie sich um. Waren sie beobachtet
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