Verführer oder Gentleman? (German Edition)
für das Benehmen meiner Schwester. Wie rüde sie sich aufführt – das ist unverzeihlich.“
Mit einiger Mühe brachte Juliet ein Lächeln zustande. „Dafür brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen, Sir, das ist wirklich nicht nötig.“
„Leider doch“, entgegnete Thomas, ignorierte den hasserfüllten Blick seiner Schwester und stand auf. „Manchmal vergisst sie den letzten Rest ihrer Manieren. Komm, Geraldine. Ich glaube, Dominic wird es schätzen, wenn wir ihn nicht stören, während er die Angelegenheit klärt. Zweifellos werden die Miniaturen auf völlig harmlose Weise wiederauftauchen.“
„Danke, Thomas, ich hoffe, du hast recht.“ Erleichtert nickte Dominic ihm zu. „In der Tat, ich würde gern allein mit Miss Lockwood sprechen.“
Nur widerstrebend folgte Geraldine ihrem Bruder zur Tür und ärgerte sich, weil ihr nichts anderes übrig blieb. Aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass Charles oder Dominic ihre Zeit verschwendeten, wenn sie ernsthaft an Miss Lockwood interessiert wären. Ehe sie die Bibliothek verließ, drehte sie sich noch einmal zu der Frau um und las keine Scham in den dunklen Augen, sondern Hass, der wohl allen Beteiligten galt.
Beruhigt seufzte Geraldine. Die Dinge würden sich planmäßig entwickeln. Wenn sie Glück hatte, würde Dominic schon bald einsehen, welch ein Fehler es gewesen war, die Schwester eines Kriminellen einzustellen, und sie vor die Tür setzen.
Mit ihrem Arbeitgeber allein gelassen, spürte Juliet, wie ihre Herzschläge von wachsender Angst beschleunigt wurden. Ihr Liebhaber schien sich von ihr zurückzuziehen, als hätten intime Nähe, Leidenschaft und Zärtlichkeit niemals existiert.
Von einer unsichtbaren Wand getrennt, standen sie einander gegenüber. Ein stechender Schmerz erfüllte ihre Brust. Doch sie war zu stolz, um die Tränen zu vergießen, die hinter ihren Augen brannten. Kein Freund oder Liebhaber schaute sie an, sondern ein Fremder – wütend, hart und bereit, ein vorschnelles Urteil zu fällen.
Juliet konnte nicht glauben, was hier geschah, welch ein Ende das Liebesglück finden sollte … Sie wollte Dominic anschreien und ihm klarmachen, wie unnötig der Zwist war. Auch das ließ ihr Stolz nicht zu.
Schließlich brach er mit gepresster Stimme das Schweigen, versuchte, seine innere Anspannung zu kontrollieren, und kehrte zur vertrauten Anrede zurück. „Befanden sich die Miniaturen gestern Morgen noch in der Vitrine, Juliet? Bist du sicher?“
„O ja, völlig sicher.“
„Doch du kannst es nicht beweisen“, fuhr er in schärferem Ton fort. „Für das Verhalten deines Bruders bist du nicht verantwortlich. Aber warum zum Teufel hast du mir seinen Besuch verheimlicht?“
„Wie ich mich entsinne, hattest du andere Dinge im Kopf, Dominic.“ Wenigstens folgte sie seinem Beispiel und verzichtete auf die verhasste Anrede „Euer Gnaden“.
Diese Tatsache akzeptierte er und nickte. Am vergangenen Abend hatte er nur einen einzigen Gedanken gekannt – wie er Juliet ins Bett locken könnte. „Wo ist dein Bruder jetzt?“
„Das spielt wohl kaum eine Rolle.“
„Mit anderen Worten, du wirst es mir nicht verraten.“
„Natürlich nicht. Robby ist mein Bruder und verdient meine Loyalität. Um mich wiederzusehen, kam er nach Essex. Und er besuchte mich in Lansdowne House, weil er früher als geplant abreisen und sich von mir verabschieden wollte – nicht, um irgendwas zu stehlen.“
„Also war das dein Bruder?“ Das erklärte die Identität des Mannes, mit dem er sie in Brentwood beobachtet hatte. Unfassbar, wie maßlos erleichtert er sich fühlte … Tatsächlich, kein Rivale …
Verwirrt runzelte Juliet die Stirn. „Was meinst du, Dominic? Hast du … ihn gesehen?“
„Ja, zufällig. In der Stadt, zusammen mit dir. Offensichtlich … hast du dich sehr über diese Begegnung gefreut.“
Nun wusste sie, worum es ging. „Ah, ich verstehe, du dachtest, Robby und ich …“ Sie lächelte kühl. „Hat es dich geärgert, dass es einen anderen Mann in meinem Leben geben könnte?“
„Was du mit deiner Freizeit anfängst, ist deine Sache. Aber wenn dein Privatleben in meinem Haus stattfindet, ist es etwas anderes“, entschied er, obwohl er vorhin betont hatte, sie dürfe nach Belieben Besucher empfangen.
„Robby wurde eben erst aus dem Gefängnis entlassen. Jetzt sind seine Schulden beglichen, und er hat ein ausgezeichnetes Lehramt an einer New Yorker Schule bekommen …“ Hilflos verstummte Juliet. Warum trat
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