Verführer oder Gentleman? (German Edition)
hattest.“
„Ich wollte nur höflich sein!“, verteidigte sie sich mit erhobener Stimme.
„Warst du auch höflich, als du mich in dein Bett eingeladen hast?“
Zutiefst gekränkt, zuckte Juliet zusammen. Dann gewann ihr Zorn erneut die Oberhand. „So ist es nicht gewesen. Das weißt du. Bevor ich meine Stellung bei dir antrat – wie sollte ich voraussehen, was mir drohen würde? Robby warnte mich zwar vor meinem Arbeitgeber und betonte, der Duke of Hawksfield sei ein berüchtigter Schürzenjäger. Leider nahm ich das nicht ernst … Wie sollte ich ahnen, dass du meine Tugend für eine Herausforderung halten würdest, ohne Rücksicht auf meine Position unter deinem Dach? Andererseits – später bekam ich genug Hinweise auf deine Methoden und hätte aufpassen müssen …“
Dominik trat näher zu ihr. Seine eisigen Blicke schienen sie zu durchbohren. Bei ihrer Flucht aus Lansdowne House hatte sie einem verwundeten Kind geglichen. Und jetzt stand er einer Frau gegenüber, die er nicht kannte, einer wütenden, schönen Rachegöttin.
Nach seinem Entschluss, Juliet zu heiraten, hatte er geplant, sich zu entschuldigen. Stattdessen packte er jetzt ihr Handgelenk. „Von Halbweltdamen hielt ich mich immer fern, weil es mich anwidert, wie wahllos sie sich verkaufen – nur um des Geldes willen. So verzweifelt war ich noch nie.“
„Was für ein Heuchler du bist, Euer Gnaden !“, beschuldigte sie ihn kühl. „Immerhin hältst du eine Geliebte aus, oder auch zwei, nicht wahr?“
„Das ist etwas anderes. Während ich eine Frau bezahle, gehört sie ausschließlich mir. Kein anderer genießt ihre Gunst.“
„Tatsächlich? Auch ich befolge dieses Prinzip … Und tu mir keine Gewalt an!“, mahnte sie. Mit aller Kraft entriss sie ihm ihren Arm, verrenkte sich beinahe die Schulter und wich zurück. Außerhalb von Dominics Reichweite blieb sie stehen. „Dieses Gespräch führt zu nichts. Zwischen uns wurde alles gesagt, was nötig war.“
„Da hast du verdammt recht!“, herrschte er sie an, dann machte er auf dem Absatz kehrt. Mit langen Schritten ging er davon.
Juliet beobachtete, wie er an mehreren gaffenden Leuten vorbeieilte. War er soeben für alle Zeiten aus ihrem Leben verschwunden? Mühsam schluckte sie völlig überflüssige Tränen hinunter. Als sie sich umdrehte, sah sie ihren Großvater auf sich zukommen.
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat …“ Lächelnd unterdrückte Juliet das Zittern in ihrer Stimme. Aber ihr Gesicht verriet eine Wehmut, die dem Earl zu denken gab.
„Nicht so schlimm.“ Nun inspizierte er seine Enkelin etwas genauer. „Wenn meine Augen mich nicht trügen, hast du mit dem Duke of Hawksfield gesprochen?“
„Ja.“
„Nicht immer hat er ein untadeliges Leben geführt, das weiß ich. In seiner Jugend trieb er sich mit einer wilden Bande herum, spielte und trank – bis er sich bei der Armee auszeichnete.“ Besorgt runzelte er die Stirn. „Ich hoffe, sein Verhalten war mustergültig, während du in seinem Haus gewohnt hast?“
„Natürlich“, beteuerte Juliet und wich seinem prüfenden Blick aus. „Er war ja mein Arbeitgeber.“
„Hast du gern für ihn gearbeitet? Danach habe ich mich nie erkundigt.“
„Oh, meine Tätigkeit war sehr angenehm. Die Bibliothek von Lansdowne House ist wirklich wundervoll.“
„Willst du mich mit Ausflüchten besänftigen, meine Liebe? Das habe dich nicht gefragt.“
„Ich weiß“, seufzte sie.
„Warum bist du abgereist? War deine Arbeit beendet?“
„Nein, weit gefehlt. Der Duke und ich … wir … waren verschiedener Meinung. Und da lag es in meinem besten Interesse, diese Stellung zu kündigen.“
Beinahe brach Juliets Stimme, was ihren Großvater beunruhigte.
„Hat er dich geärgert?“
„Oh, der Duke versteht es meisterhaft, andere Leute zu ärgern. Besonders Frauen.“
Die Augen des Earls verengten sich, als ein schrecklicher Verdacht in ihm aufstieg. „Warum hast du Lansdowne House verlassen, obwohl deine Arbeit nicht abgeschlossen war? Was ist zwischen euch vorgefallen?“
Bereitwillig hatte sie sich dem Duke of Hawksfield hingegeben, und seither konnte sie die exquisite Liebesnacht nicht aus ihren Gedanken verbannen. Die Erinnerungen an leidenschaftliche Küsse, intime Zärtlichkeiten und geflüsterte Koseworte kehrten unentwegt zurück und ließen sich nicht verdrängen. Manchmal wollte sie jenes süße Entzücken auch gar nicht vergessen …
Das konnte sie ihrem Großvater unmöglich
Weitere Kostenlose Bücher