Verführer oder Gentleman? (German Edition)
Grand Walk dahin, lauschten den Konzerten, die den ganzen Sommer über erklangen, und vertrieben sich die Zeit, indem sie in einer beschaulichen Ecke Tee tranken.
Während Dominic auf Cordelia wartete, die mit Bekannten plauderte, entdeckte er ein Paar, das Arm in Arm einem der Kieswege folgte. Den Gentleman erkannte er sofort. Es war der Earl of Fairfax. Und die Dame, sehr modisch in smaragdgrünem Musselin, mit rosigen Wangen … Vertrauensvoll schaute sie zu ihrem Begleiter auf und lachte, nachdem er offenbar eine amüsante Bemerkung gemacht hatte.
Juliet! Unverwechselbar! Dominic fragte sich nicht, warum sie Vauxhall besuchte. Für ihn zählte nur eins – endlich hatte er sie gefunden.
Nun blieb der Earl stehen, um Freunde zu begrüßen, tätschelte Juliet die Hand und ließ sie los.
Was sie bewog, sich in diesem Moment umzudrehen, wusste Juliet nicht – vielleicht ein seltsames Prickeln, das sie plötzlich im Nacken spürte. Zutiefst verwirrt, schaute sie in Dominic Lansdownes Gesicht. Ihr Herz krampfte sich zusammen, dann wurde es von einem überwältigenden Glücksgefühl erfüllt und zauberte ein freudiges Lächeln auf ihre Lippen.
Vermutlich beobachtete er sie schon eine ganze Weile, denn im Gegensatz zu ihr schien er nicht so maßlos erstaunt zu sein. Unfähig, sich zu bewegen oder einen klaren Gedanken zu fassen, stand sie da, wie Lots Frau zur Salzsäule erstarrt. Trotz des Stimmengewirrs und Gelächters ringsum glaubte sie plötzlich, sie wäre zusammen mit Dominic auf einer Insel der Stille gelandet.
Neues Leben durchströmte ihre Glieder. Ihren Blick in seinen getaucht, schien sie auf einer Wolke reinen Entzückens zu schweben. Am selben Ort wie er … Und sie atmete die gleiche Luft … In diesen ersten paar Momenten rührten sie sich nicht, eng verbunden, suchten und fanden sie die Wahrheit – was sie füreinander empfunden hatten, war nicht erloschen.
Und doch – zu viele Kränkungen schmerzten sie immer noch, zu viele Demütigungen, an die sie sich nur allzu gut erinnerte, verboten ihr, diesem Mann erneut zu erliegen. Hatte sie sich nicht geschworen, er dürfe sie nie wieder verletzen?
Nachdem Dominic beschlossen hatte, Juliet zu heiraten, drängte es ihn, mit ihr zu sprechen und ihren Anblick aus der Nähe zu genießen, ihre sanfte, melodische Stimme zu hören. Endlich wollte er ihren schlanken, wohlgeformten Körper wieder an seinen pressen und dieses exquisite Gefühl auskosten.
Er trat einen Schritt näher. Aber da kam ihr Begleiter zu ihr. Sie wandte sich ab, lächelte den Earl an und hängte sich bei ihm ein. Dann schlenderte sie mit ihm davon, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
Ungläubig schaute Dominic ihr nach, und irgendetwas in ihm zerbrach. Sollte er seinen Augen trauen? Der Earl of Fairfax? Unmöglich! Ganz sicher nicht! Juliet war eine respektable, prinzipientreue Frau. Und verdammt noch mal, sie gehört mir!
Aber sie sah nicht mehr wie Juliet aus – wie seine schlicht gekleidete, überkorrekte Angestellte. Stattdessen betrachtete er eine elegante Göttin. Unter einem modischen kleinen Hut schimmerten kunstvoll arrangierte kastanienbraune Locken. Winzige Diamanten hingen an den Ohren. Und ihr Kleid, fand Dominic, war für den Nachmittag viel zu tief ausgeschnitten.
Man musste nur beobachten, wie sie sich an den Arm des Earl klammerte –, da wusste man sofort Bescheid – die beiden waren ein Liebespaar. Ein anderer Mann wagte sein Eigentum anzurühren? Rasende Eifersucht zerstörte alle zärtlichen Emotionen, die Juliet eben noch in ihm geweckt hatte. Wochenlang hatte er voller Sorge um ihr Wohl nach ihr gesucht und sich wie ein liebestoller Idiot nach ihr gesehnt – und sie schenkte ihre Gunst einem anderen.
Zur Hölle mit ihrem tückischen kleinen Herzen, mit dieser billigen, gewinnsüchtigen Opportunistin!
Etwas später nahm Juliet mit dem Earl und einigen seiner Freunde in einem Teegarten Erfrischungen zu sich. Der Atem stockte ihr, als sie Dominic und seine Schwester einen gewundenen Pfad heranschlendern sah. Plötzlich schaute Lady Pemberton zu ihr herüber.
Juliet entschuldigte sich bei ihrem Großvater und ging den beiden entgegen. Bestürzt erwiderte sie Dominics eiskalten Blick.
Umso warmherziger wurde sie von Lady Pemberton begrüßt, die sich aufrichtig über das Wiedersehen freute. Dominic hatte erwähnt, Juliet sei mit dem Earl of Fairfax durch Vauxhall spaziert. Im Gegensatz zu ihrem Bruder glaubte Cordelia nicht, ihre junge Freundin
Weitere Kostenlose Bücher