Verführerische Maskerade
worden war.
Alex hatte sich in einen kleinen Alkoven zurückgezogen und sich so hinter den schweren Samtvorhang postiert, dass er kaum zu sehen war. Angestrengt lauschte er dem Gespräch zweier Gentlemen, die sich auf der anderen Seite des Vorhangs aufhielten.
»Graf Nesselrode hält sich also in Paris auf und knüpft Beziehungen zu Talleyrand?«
»Aye. Wir haben zwei Briefe von Nesselrode an den Zaren abgefangen, die Informationen enthielten, welche er von Talleyrand erhalten hat.« Der Mann lachte kurz. »Bonham behauptet, dass Nesselrode über meinen Cousin Henry spricht, wenn er Talleyrand meint.«
»Angeblich nennt er ihn meinen schönen Leander.« Eine dritte Stimme, die Alex als Stimme Harry Bonhams identifizierte, mischte sich ein. Harry klang amüsiert. »Fouche taucht als Natasha auf, und unser lieber Freund der Zar freut sich über den Codenamen Louise.«
»Es macht den Eindruck, als würde Talleyrand seinen eigenen Herrscher betrügen«, bemerkte einer der Männer, »der alte Fuchs hat schon immer getrickst. Der Zar wäre wirklich ein Dummkopf, wenn er ihm vertraut. Oder den Nachrichten, die er aus seiner Hand erhält. Niemand kann wissen, für welche Seite Talleyrand wirklich kämpft.«
»Oh, nur für seine eigene Seite, Eversham«, verkündete Harry. »Mehr braucht man über diesen Mann nicht zu wissen. Ah, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, Gentlemen, meine Frau möchte sich gern verabschieden. Keine Sekunde zu früh, wie ich betonen möchte.«
Harry eilte davon; die zwei anderen Männer folgten kurz darauf. Erst jetzt verließ Alex den Alkoven. Der Lauschangriff hat sich wirklich gelohnt, lobte er sich, der Zar wird sich brennend dafür interessieren, dass seine geheime Korrespondenz mit Nesselrode von den Briten abgefangen wird. Und wenn er ihn darüber unterrichtete, würde der Zar in Zukunft blind darauf vertrauen, was sein Geheimagent der großen Stadt London ablauschte und ihm in seinem Palast in St. Petersburg einflüsterte.
Drei Männer hatten sich in dem kleinen Zimmer hinter der Schankstube der Duke of Gloucester Tavern in Long Acre versammelt. Der Pfeifenrauch waberte dick durch die Luft und vermischte sich mit dem Qualm aus dem Kamin.
»Wir wissen mit Sicherheit, dass Prokov auf Befehl des Zaren handelt«, grübelte einer der Männer. Er war klein und gedrungen, das Haar grau, und sein Mund hatte einen grausamen Zug.
»Ja, das steht außer Frage, Sergej«, bestätigte Prinz Michael Michaelowitsch und schüttete sich den Inhalt seines Glases mit einer geübten Drehung seines Handgelenks die Kehle hinunter. »Und er hat sich in eine äußerst geschickte Position manövriert, um seine Aufgabe zu erfüllen. Er hat eine Frau, die überall in der Stadt in den besten Kreisen verkehrt, ein Anwesen am Cavendish Square, und die Freundinnen seiner Frau verschaffen ihm Zutritt zu den höchsten Kreisen auf dem politischen und diplomatischen Parkett. In letzter Zeit ist er noch englischer geworden als die Engländer. Niemand würde ihn verdächtigen, für den Zaren zu spionieren. Nicht wahr, Igor?«
»Aber er treibt sich auch mit Sperskov und solchen Leuten herum«, bemerkte Igor. Der Mann sah aus wie Sergej, hatte Schultern wie ein Preisboxer und einen prächtigen Schnurrbart. Neben ihm stand Prinz Michael, der mit seinen geröteten Wangen und weißen Haaren zwischen seinen vierschrötigen Begleitern eher an einen erfahrenen Staatsmann erinnerte und zart wie eine Orchidee wirkte.
»Aber wir müssen zugeben, dass er auch ein Auge auf sie hält. Er berichtet dem Zaren alle Besonderheiten aus der Gruppe«, beschwichtigte der Prinz. »Ich bezweifle, dass dort irgendeine Gefahr ausgebrütet wird … es sind Träumer, mehr nicht.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, widersprach Sergej kopfschüttelnd. »Sogar im Palast von St. Petersburg spricht man schon über einen Aufstand. In letzter Zeit flüstert man nicht einmal mehr hinter vorgehaltener Hand.«
»Nun, ich sehe nicht, was die Leute von London aus erreichen wollen. Der Zar befindet sich außerhalb ihrer Reichweite«, erklärte der Prinz. »Außerdem setze ich vollstes Vertrauen in Prokov … genau wie der Zar.«
Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, Gentlemen. Ich bin mit einer zauberhaften Dame aus der Halbwelt auf der Piazza verabredet.« Er lächelte zufrieden in sich hinein. »Sie können sagen, was Sie wollen. Aber die Damen in dieser Stadt haben eine gewisse
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