Verfuehrerische Naehe
Erfahrung im Umgang mit Menschen warst. Unter Druck hast du eigentlich stets getan, was deiner Art völlig widerspricht.” Julia stockte und fasste sich an die Stirn. „Warst du sehr widerborstig?”
„Unerträglich.”
„Ständig auf Widerspruch eingestellt?” erkundigte sich Julia, als wüsste sie bereits die Antwort.
„Natürlich.”
„Ach, du liebe Zeit.” Julia begann zu lachen, und Chantal musste lächeln.
Es tat gut, etwas geradezu schmerzhaft Intimes zu erzählen und letztlich darüber lachen zu können. Jetzt musste sie ihrer Schwester auch noch den Rest der Geschichte anvertrauen.
„Es kommt noch etwas.” Chantal wurde schlagartig wieder ernst. „Es gab einen Vorfall.
Um es kurz zu machen - ich wollte Quade beeindrucken, indem ich seinen Chef beeindruckte, aber der Schuss ist nach hinten losgegangen.”
„Er war nicht beeindruckt?”
„Das ist noch milde ausgedrückt.”
Julia seufzte mitfühlend.
„Dabei war ich völlig im Recht. Quade hätte mich nicht dermaßen herunterputzen dürfen.”
„Natürlich nicht.” Julia hatte Mühe, nicht zu lächeln. „Weißt du, diese Geschichte erklärt eine ganze Menge.”
„Zum Beispiel?”
„Sie erklärt die Art, wie du mit ihm umgehst.”
„Wie gehe ich denn mit ihm um?” fragte Chantal vorsichtig.
„Du benimmst dich eindeutig nicht natürlich. So hektisch habe ich dich nicht mehr erlebt, seit du nach dem Staatsexamen zurückgekommen bist. Während des Abendessens heute hast du kaum still sitzen können.”
„Ich hatte einen anstrengenden Tag, und die Krönung war, dass Zane und du mir einen zusätzlichen Gast mitgebracht habt.”
„Bisher hast du nie an anstrengenden Tagen getrunken.”
„Ich nehme mir oft zum Abendessen ein Glas Wein”, versicherte Chantal. „Das weißt du.”
„Ja, ein Glas, aber heute hättest du auf das Glas völlig verzichten können. Aus der Flasche wäre es schneller gegangen.”
„Sehr witzig”, erwiderte sie und schnitt ihrer Schwester eine Grimasse.
Sie hatte nur zwei Gläser getrunken, höchstens drei, sonst hätte sie Quades Nähe am Tisch nicht ertragen, den Duft seines Rasierwassers, die gelegentlichen Berührungen ihrer Knie und die Erinnerung an den Kuss und den Schmerz in seinen Augen. Dazu kam, dass ihre Gefühle für diesen Mann völlig verworren waren.
„Merkt man es so deutlich?” fragte sie, und ihr Magen zog sich zusammen. Wollte sie wirklich eine Antwort hören?
„Du meinst, dass du ihn magst?” Julia klatschte in die Hände. „Du wirst rot, und das bedeutet, dass du ihn tatsächlich magst. Oh ja, und wie rot du wirst!”
„Das kommt nur vom Kaminfeuer. Außerdem habe ich schon den ganzen Tag das Gefühl, dass mir eine Erkältung in den Knochen steckt.”
„Unfug”, wehrte Julia ab. „Ich habe mich schon oft gefragt, in was für einen Mann du dich verknallen würdest.”
„Ich kenne Quade doch kaum.”
„Spielt das eine Rolle?”
„Er ist …” Chantal stockte und überlegte, wie sie sich ausdrücken sollte.
„Scharf?” fragte Julia scherzhaft. „Sexy?”
„Weiß Zane eigentlich, dass du so über einen anderen Mann denkst?”
„Das klappt nicht. Ich lasse mich nicht ablenken. Also, was ist er?”
„Er ist nicht interessiert”, erklärte Chantal. Ja, Quade war scharf und sexy, und er hatte sie auch geküsst, doch das hätte er hinterher am liebsten ungeschehen gemacht.
„Woher weißt du das? Du bist kaum eine Expertin, was Männer angeht.”
Das stimmte allerdings. Bevor sie damals für Quade geschwärmt hatte, waren ihr Männer ziemlich gleichgültig gewesen. Erst in jenem Sommer hatte sie festgestellt, was sie bis dahin versäumt hatte. In den folgenden Semestern an der Universität hatte sie versucht, diese Wissenslücke zu schließen.
Die Beziehung zwischen den Geschlechtern war jedoch das einzige Gebiet, auf dem sie jemals versagt hatte.
„Also”, drängte Julia, „woher weißt du, dass er nicht interessiert ist?”
„Ich habe ihn zum Essen eingeladen, aber er wollte nicht.”
„Vielleicht hatte er keinen Hunger.”
„Und vielleicht war er nicht interessiert. Er hat sich ja auch heute Abend euch beiden nicht gerade aufgedrängt, oder?”
Julia überlegte. „Für meinen Geschmack hat er sich eine Spur zu heftig gewehrt.”
„Ach ja, von wegen.” Chantal winkte ab.
„He, ich habe den ganzen Abend beobachtet, wie ihr beide umeinander herumgeschlichen seid. Ich weiß nicht, wobei ich in der Küche gestört habe, aber ich
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