Verfuehrerische Naehe
was unseren Bruder Mitch angeht, so bringt ihn das Ende seiner Ehe fast um.”
Quade konnte den Blick nicht von ihr abwenden, weil sie offensichtlich mit ihrem Bruder litt und für beide Geschwister starke Gefühle hatte. „Und was ist mit Ihnen, Chantal?” fragte er. „Haben Sie sich geschworen, sich diesen ganzen Kummer zu ersparen?”
„Sagen wir mal, eine Ehe steht nicht auf meiner Wunschliste”, erwiderte sie und lächelte dabei geringschätzig, erstarrte jedoch im nächsten Moment. „Ach, ich habe nicht daran gedacht … Es tut mir Leid.”
„Warum? Weil die Ehe auch nicht mehr auf meiner Wunschliste steht?” Jetzt lächelte er zynisch. „Dafür brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen. Ich bin darüber hinweg.”
Stille trat ein, nur unterbrochen vom Knistern der Holzscheite im Kamin. Endlich überwand Julia die allgemeine Befangenheit, indem sie sich darüber beschwerte, dass die menschliche Blase nicht für zwei ausgelegt war.
Zane half ihr hastig beim Aufstehen. Während Julia zum Badezimmer eilte, sammelte Chantal die Kaffeetassen ein.
Zane gähnte. „Höchste Zeit zu gehen. Morgen muss ich früh raus. Ich starte schon den Motor und schalte die Heizung ein. Kommen Sie, Mann?”
Bevor Quade antworten konnte, räusperte sich Chantal. „Er kommt gleich nach”, sagte sie zu Zane.
Überrascht wartete Quade die Verabschiedung ab. Sobald Zane nach draußen gegangen war, sagte Chantal leise: „Es tut mir aufrichtig Leid wegen vorhin. Ich hätte nachdenken sollen, bevor ich den Mund aufmache.”
„Haben Sie mich deshalb zurückgehalten? Mehr wollten Sie nicht sagen?”
„Doch.” Jetzt sah sie ihn direkt an. „Warum haben Sie mich geküsst?”
Damit hatte er wirklich nicht gerechnet. „Keine Ahnung. Nach der Trennung von Kristin habe ich keine Frau mehr angesehen.”
Chantal zögerte kurz. „Wie lange liegt die Trennung zurück?”
„Ein halbes Jahr. Das ist eine lange Zeit, aber ich war einfach nicht interessiert. Als ich dann Sie in meinem Schlafzimmer gesehen habe …”
„Da waren Sie interessiert?” flüsterte sie, weil er nicht weitersprach.
„Oh ja. An dieses erste Zusammentreffen habe ich oft gedacht, an die Bettwäsche aus Satin … daran, wie Sie sich über das Bett gebeugt haben …”
Langsam senkte sie den Blick zu seinen Lippen. „Und wie geht es jetzt mit uns beiden weiter?”
Bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, schlug die Badezimmertür zu. Er zuckte zusammen. Chantal zuckte zusammen. Eine Tasse fiel ihr aus der Hand und landete auf dem Teppich. Quade hielt sie zurück, als sie sich danach bücken wollte. Julias Schritte wurden immer lauter, und Chantals Frage war noch nicht beantwortet.
„Mit uns beiden?” wiederholte er leise. „Willst du …?”
„Willst du es?” erwiderte sie.
„Können wir gehen?” fragte Julia, trat ein, stockte zum zweiten Mal an diesem Abend und blickte forschend von einem zum anderen.
Quade störte sich nicht daran. Er hielt Chantal fest, als sie sich von ihm lösen wollte, und wartete, bis sie ihn ansah. Sie war sichtlich verärgert, und er hatte keine Ahnung, was er antworten sollte.
„Ich weiß es nicht”, gestand er, ließ ihren Arm los und strich über den weichen Ärmel, ehe er die Hand zurückzog. „Ich weiß nicht einmal, ob ich dich mag oder nicht.”
6. KAPITEL
Am folgenden Tag gab Chantal sich um die Mittagszeit geschlagen. Sie konnte sich einfach nicht auf die Papiere auf ihrem Esszimmertisch konzentrieren, was sie gleichermaßen verwirrte und frustrierte.
Es ging um den Warner-Fall, einen Streit um Liegenschaften mit so vielen unerwarteten und dramatischen Wendungen wie in einer Seifenoper. Dazu kam auch noch eine erboste Stieftochter, die eine harte und zähe Kämpferin war.
Normalerweise wurde es Chantal nie zu viel, an Emily Warners Fall zu arbeiten, weil er alles bot, was sie an ihrem Beruf liebte. Der heutige Tag war jedoch alles andere als normal.
Es war der Tag, nachdem Cameron Quade ihr zehn Sekunden lang mit einem Kuss den Himmel auf Erden gezeigt hatte. Es war auch der Tag, nachdem er gesagt hatte, dass er nicht wusste, ob er sie mochte oder nicht. Beides ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Als würde das alles noch nicht genügen, war da noch Julia, die bereits zwei Mal angerufen und auf dem Band die Botschaft „Ruf mich auf der Stelle an!” hinterlassen hatte.
Seufzend fasste Chantal sich an die schmerzende Stirn und schloss die Akte. Vielleicht ging es Julia ja doch nur um die
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