Verführerische Unschuld
Tanzpartners lachte, bebten die diamantenen Tropfen ihres Ohrschmucks.
Radwell wartete nur darauf, dass sie seinen Blick suchte, um Eifersucht oder Interesse darin zu lesen, weil er sie mit ihrem Tänzer flirten sah. Meistens pflegte sie ihn bei diesen Anlässen wie ein Falke seine Beute nicht aus den Augen zu lassen. Sie zu beobachten, während sie ihn beobachtete, und gleichzeitig seine einstudierte gleichgültige Haltung zu wahren, war beträchtlich anstrengender als die Langeweile, die solche Gesellschaften gewöhnlich bei ihm hervorriefen.
Heute jedoch schaute sie nicht zu ihm.
Ohne ihre Blicke, die auf ihm ruhten, fühlte er sich irgendwie nackt. Wahrhaftig, sie sah nur ihren Partner an, und nun lächelte sie abermals.
Sie hatte dem Burschen schon viel zu viel Zeit gewidmet, den ganzen Abend war sie bereits mit ihm zusammen. Wie hieß der Mann nur? Hm, kein Rang, kein Titel, keine bekannte Familie, aber teure Kleidung, ohne dass bekannt wäre, wo das Geld dafür herkam. Gutes Aussehen, natürlich, darauf fielen törichte Frauen leicht herein; und bestimmt leere Taschen und nichts Gutes im Sinn. Wie oft hatten sie schon miteinander getanzt? Sicherlich oft genug, dass der Klatsch blühte.
Bei der nächsten Tanzfigur streifte der Mann ganz kurz mit schmeichelnder Hand ihre Taille. Überrascht schaute Esme zu ihm auf, doch entzog sie sich ihm nicht verstimmt, und der Mann gab vor, sich nur versehentlich und unbeabsichtigt diese Freiheit herausgenommen zu haben.
Radwell spürte einen scharfen Schmerz in seiner Hand und stellte fest, dass er die Nägel in die Handfläche gebohrt hatte. Rasch öffnete er seine Faust, während er das Paar ergrimmt beobachtete. Als der Tanz endete, führte der Mann Esme auf die Terrasse. Radwell raufte sich beinahe die Haare. In welche Gefahr begab sie sich nun wieder? Marcus übte am anderen Ende des Saals Gastgeberpflichten aus und war der Lage nicht gewahr, in die Esme sich begeben hatte. Und was dachte Miranda sich, ihre Freundin mit diesem Mann allein zu lassen? Der Unbekannte angelte doch nach einer Erbin!
Also oblag es wohl ihm selbst, Esmes Ruf zu hüten. Wenn das nicht Ironie war!
Unauffällig folgte er den beiden. Der Mann hatte ihre Hand auf seinen Arm gelegt, und sie stützte sich darauf, wobei sie sich dichter an ihn schmiegte, als schicklich war.
Der Mann neigte sich im Gespräch eifrig lächelnd Esme zu, doch schien ein gieriges Funkeln in seinen Augen zu lauern, und sein Mund wies einen harten Zug auf, überdeckt von einem zynischen Lächeln. Zweifellos versuchte er, Esme über ihr Vermögen auszuhorchen, und was er erfuhr, gefiel ihm offensichtlich, sonst hätte er sich längst davongemacht.
Verstimmt stellte Radwell fest, dass Esme den Worten des Mannes mit strahlendem Lächeln lauschte und, wie er fand, viel zu dicht vor dem Burschen stand, wahrscheinlich, um ihn besser zu verstehen. Mit Sicherheit sprach der hinterhältige Schuft absichtlich gedämpft, um sie näher heranzulocken!
Er suchte den Blick seines Bruders und winkte ihm unauffällig. Marcus tat übertrieben erstaunt, schlenderte aber langsam heran. „Hast du mich gemeint? Vergnügst du dich heute Abend etwa nicht?“
„Es ist todlangweilig“, zischte er. „Aber das sind diese Feste ja immer.“
„Also ist deine Erregung ein Zeichen von Überdruss?“, fragte Marcus mit selbstzufriedenem Lächeln.
„Ich schaue mir gerade den Burschen da drüben an.“ Radwell wies auf Esme und ihren Verehrer.
„Smythe? Er ist neu in unserer Nachbarschaft, aber die Damen sehen ihn gerne. Miranda meint, er käme für Esme infrage.“
Radwell runzelte die Stirn. „Dem solltest du besser gleich einen Riegel vorschieben.“
„Wie kommst du darauf?“
„Schau ihn dir an! Ich wette, er ist ein Mitgiftjäger.“
„Du würdest verlieren. Sein Ruf ist, soweit ich weiß, makellos.“
„Dann weißt du wahrscheinlich nicht genug.“
Marcus schmunzelte. „Immerhin habe ich schon mit dem Mann gesprochen, also weißt du weniger über ihn als ich.“
„Aber ich sehe ihm an, dass er ein Gauner ist.“
„Und was geht dich das an?“ Marcus musterte seinen Bruder scharf.
„Nichts, außer dass ich das Beste für das Mädchen möchte.“
„Du klingst wie ein eifersüchtiger Liebhaber, nicht wie ein besorgter Freund.“
Radwell schnaubte verächtlich. „Mach dich nicht lächerlich. Ich fühle mich verantwortlich, sonst nichts. Ich möchte die Gewissheit haben, dass sie ein besseres Heim findet als bei
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