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Verführerische Unschuld

Verführerische Unschuld

Titel: Verführerische Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINE MERRILL
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Marcus sich einer Entgegnung.
    Schließlich fuhr Radwell fort: „Weißt du, ihretwegen war ich einmal sehr eifersüchtig auf dich. Deine Gattin ist unleugbar sehr schön und sehr charmant. Allerdings hat die Zeit mich geheilt. Nun beneide ich dich nur noch und hoffe, dass ich eines Tages ebenso glücklich sein werde. Ich missgönne dir dein Glück nicht mehr.“
    Er griff in seine Tasche und zog die Schatulle mit dem Collier hervor. „Hier! Und ehe du es öffnest, denk daran, dass in unserer Familie Stolz genauso ausgeprägt ist wie Sturköpfigkeit. Nimm es an, weise es nicht zurück. Meinetwegen schenk es deiner Tochter zur Volljährigkeit.“
    Ehe sein Bruder etwas entgegnen konnte, drehte er sich um und ging fort.

8. KAPITEL

    Radwell biss die Zähne zusammen. Wieder saß er auf einem von Mirandas Bällen fest und fragte sich, wie viele Stunden er noch den Umgänglichen spielen musste. Inzwischen waren für Esme so viele Dinnergesellschaften und Tanzfeste arrangiert worden, dass es für eine ganze Londoner Saison gereicht hätte. Fast jeden Abend hinderten ihn Musik und Tanz am Schlafen, und wegen all der Nachmittagseinladungen und Gartenfeste wanderten dauernd Gäste durch Haus und Park, sodass er nicht einmal tagsüber ein wenig Ruhe fand.
    Des Nachts schien ihm nur Laudanum noch helfen zu können. Der Schlafmangel machte ihn mürrisch und unleidlich, deshalb wünschte er nichts lieber, als am Abend bequem mit einem Buch vor dem Kamin zu dösen. Stattdessen musste er sich in Staat werfen und ständig auf der Hut sein, um nicht diesem Canville-Mädchen oder anderen weiblichen Wesen, die es auf ihn abgesehen hatten, in die Falle zu tappen.
    Durch düstere Blicke und eine äußerst reservierte Haltung hatte er die anderen jungen Damen inzwischen verscheucht, doch Esme blieb ein Stachel in seinem Fleisch. Selbst der schroffsten Abfuhr, die sie tränenüberströmt aus dem Raum treiben sollte, hielt sie stand. Er konnte sie weder mit harschen Worten noch eisiger Kälte schrecken, und unziemlich lüsternes Gebaren schien ihm zu riskant, da er damit bei ihr vermutlich eher Neugier als einen hysterischen Anfall hervorrief.
    All das ertrug sie mit duldsamem Lächeln und einem wissenden Blick, der zu sagen schien, sie vertraue voll und ganz darauf, dass er ihr niemals wehtun werde. Und verdammt, das hatte er ja auch nicht vor. Nur ärgerte es ihn maßlos, dass sie es durchschaute. Hätte er sich doch nie für sein Verhalten damals im Garten entschuldigt! Damit hatte er die Fortschritte des vorherigen Abends aufs Spiel gesetzt. Aber an dem Morgen danach wirkte sie so todunglücklich, so elend und allein, dass er es nicht mit ansehen konnte. Wie konnte man sein Frühstück genießen, wenn diese traurigen blauen Augen ihren trostlosen Blick auf einen richteten? Seitdem versuchte er immer und immer wieder, Esme Canville von ihrer Vorliebe für ihn zu heilen. Trotz Marcus’ heimlicher Anwesenheit war schon jener Kuss riskant gewesen, nur mühsam hatte er sich beherrschen können. Deshalb wäre es klüger, entschieden Abstand von ihr zu halten. Die übrigen Damen ließen sich wenigstens durch seinen bitteren Sarkasmus abschrecken.
    Eigentlich sollte durch sein Verhalten eine unerfahrene junge Dame völlig niedergeschmettert sein, und eine erfahrene hätte anstandshalber vorgegeben, sich von seinen bissigen Worten getroffen zu fühlen, und sie vielleicht mit gleicher Münze heimgezahlt. Aber Esme verharrte in einer seltsamen Mischung aus Naivität und Blasiertheit, was ihn gleichzeitig verärgerte und faszinierte. Beinahe wünschte er …
    Entschlossen schüttelte er den Kopf. Nein, nichts wünschte er, außer in seiner kleinen Londoner Wohnung zu sein, ohne diese vermaledeiten Bälle mit ihrer ewigen Musik und den lästigen jungen Damen. Ein paar Tage Ruhe und Frieden und eine Nacht tiefen ungestörten Schlafes, dann würde er sich wieder imstande fühlen, den zerbrechlichen Waffenstillstand, den er mit seinem Bruder geschlossen hatte, dauerhaft zu festigen, was ihm im Übrigen von dort aus auch durch Briefe gelingen konnte.
    Er lehnte sich bequemer gegen die Wand, in einer Haltung wohlerzogener Trägheit, und sah den Tanzenden zu, während es in seinem Kopf im Takt zur Musik rhythmisch hämmerte. Nun erblickte er Esme. In raschelnder Seide glitt sie, ein strahlendes Lächeln im Gesicht, an ihm vorbei. Ihr schimmerndes Haar war elegant frisiert und mit Rosenknospen geschmückt. Als sie über eine geflüsterte Bemerkung ihres

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