Verführerische Unschuld
Erklärungen abgeben und stünde vielleicht trotzdem in schlechtem Licht da. Ihr Ruf muss recht gut sein, sonst hätte mein Bruder Sie nicht eingeladen, und die Leute wären nur zu gern bereit zu glauben, dass ich den Kampf provozierte. Also lassen wir das. Übrigens wurde der Schmuck Miss Canville nur geborgt; auch ist es nicht so, als ob meinen Bruder der Verlust hart ankäme. Ich möchte nur nicht, dass die junge Dame sich wegen der Sache grämen muss.“
„Also sind Sie eher darum besorgt, dass ich an ihr interessiert sein könnte?“
Wieder seufzte Radwell. „Sagen wir, ich fühle mich für ihr Wohlergehen verantwortlich, und wenn ich Sie noch einmal dabei erwische, wie Sie ihr schöne Augen machen, ob wegen ihrer Mitgift – die es nicht gibt –, oder ihres geborgten Schmucks wegen, sind Sie dran. Zwar wünsche ich keinen Skandal und würde Sie deshalb lieber nicht fordern, aber eine dunkle Gasse könnte Ihnen zum Verhängnis werden, ohne dass mein Gewissen sich regte.“
Smythe grinste. „Sie haben schlagende Argumente. Wenn ich jetzt verschwinde, war’s das dann für mich?“
„Ich werde nicht die Konstabler rufen, solange Sie sich von den Gästen und dem Mädchen fernhalten, das übrigens arm ist und, soweit ich weiß, schon einem Earl anverlobt.“
Der Mann zuckte die Achseln. „Ein weiterer Tanz wäre wohl nicht genehm? Nein, es wäre nicht fein, mit einer so charmanten Dame leichtfertig zu tändeln.“ Nach diesen Worten wandte er sich um und verschwand in Richtung der Auffahrt in der Dunkelheit. Radwell sah ihm einen Moment hinterher, dann schlenderte er zurück in den Ballsaal. Verärgert bemerkte er, dass Esme, ohne ihn zu beachten, interessiert in den Garten hinausspähte.
Verdammt, sie tat, als sähe sie ihn nicht? Das würde er ihr austreiben. Mit großen Schritten näherte er sich ihr, nahm sie beim Ellbogen und führte sie mit sanfter Gewalt zur Treppe.
„Was soll das?“
„Wir müssen uns unterhalten.“
„Und warum nicht hier im Saal?“
„Das, zum Teufel, werden Sie gleich erfahren!“
„Welcher Ausdrucksweise befleißigen Sie sich!“
„Seit wann macht Ihnen das etwas aus?“
„Und Gewalt ist auch nicht nötig!“ Sie riss sich von ihm los.
„Gewalt?“ So fest hatte er gar nicht zugefasst. „Habe ich Ihnen wehgetan? Das war wirklich nicht meine Absicht …“ Er griff sacht nach ihrem Arm, überlegte es sich aber anders und hielt seine Hände bei sich.
„Nein, nicht Gewalt“, gab sie zu, „aber Sie brauchen mich nicht zu zerren wie einen Maulesel. Ich wäre auch mitgekommen, wenn Sie mich einfach darum gebeten hätten.“
„Das gewähren Sie wohl jedem Mann, der Sie darum bittet?“ Er konnte die Schärfe nicht aus seiner Stimme verbannen.
„Was? Oh, Mr. Smythe!“ Sie lächelte nachdenklich. „Ach, wir waren doch nur kurz fort, keinem ist es aufgefallen.“
„Doch, mir.“
„Sie spionierten uns nach?“ Erstaunt riss sie die Augen auf.
„Uns? Was diesen Mann betrifft, wird es kein ‚uns‘ mehr geben, dafür habe ich gesorgt.“
„Ach, hüten Sie abermals meine Ehre?“ Schon wieder lachte sie ihn aus! Er las es in ihren Augen.
„Jemand muss es ja tun.“
„Und Sie sind genau der Richtige dafür? Wie der Fuchs im Hühnerstall, könnte man sagen.“
„Besser ich als Smythe. Er nahm sich Freiheiten heraus.“
„Er benahm sich wie ein Ehrenmann. Er gab mir einen Handkuss, wohingegen Sie mich auf den Mund küssten und mich anschließend beleidigten.“
„Ein Ehrenmann? Ha!“ Verächtlich lachte er auf, während er in seiner Tasche nach dem Ohrring suchte.
Esme lachte nicht mehr, sondern sagte hitzig: „Sie reden Unsinn. Erst küssen Sie mich, dann verschmähen Sie mich. Sie erzählen mir, Sie möchten, dass ich einen Gatten finde, doch wenn ein Herr Interesse zeigt, kommen Sie und machen ihn vor mir schlecht. Im Übrigen wollte Mr. Smythe sich nur mit mir unterhalten, denn er gestand mir, dass sein Herz schon vergeben ist. Aber anscheinend können Sie nicht glauben, dass jemand überhaupt einer Versuchung widerstehen kann, selbst wenn er ehrlich liebt.“
Getroffen von ihren Worten, krampfte er seine Hand in der Tasche um das Schmuckstück. „Gut, ich will zugeben, dass es Leute gibt, die aus ehrenhaften Gründen handeln und dass ich nicht jedermann so hart beurteilen sollte. Wenn Sie sagen, dass alles ganz harmlos war, will ich nicht weiter in Sie dringen. Aber achten Sie in Zukunft darauf, mit wem Sie allein bleiben. Es tut nicht
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