Verführerische Unschuld
leise fortfuhr. “Ich verdanke Ihrem Vater sehr viel mehr als nur einen Job. Ich verdanke ihm meine Selbstachtung und meine Würde.”
Caitlyn konnte nicht verhindern, dass ihre Augen sich wieder mit Tränen füllten. Sie fuhr sich mit der Hand über die Wangen. “Sie können sich nicht vorstellen, was es für mich bedeutet, dass Sie mir das alles erzählt haben.”
Grant wischte ihr zärtlich eine Träne fort. “Ihr alter Herr ist ein zäher Bursche”, versicherte er ihr. “Geben Sie ihn noch nicht auf.”
Sie öffneten einander ihr Herz und trösteten sich mit dem Austausch von Erinnerungen. Als Caitlyn noch einmal in Tränen ausbrach, während sie Grant beschrieb, wie ihr Vater einen ihrer Verehrer abgewimmelt hatte, den er vom ersten Moment an nicht gemocht hatte, dachte Grant nicht an die Folgen und nahm sie einfach in die Arme.
Caitlyn überließ sich gern seiner tröstlichen Umarmung und lauschte beruhigt seinem Herzschlag. Ohne zu überlegen, hob sie den Kopf und bot ihm den Mund zum Kuss.
Ihr erster Kuss war voller Leidenschaft und Wut gewesen, der zweite voller Angst und Erleichterung. Doch dieser war von einer so tiefen Zärtlichkeit, dass Caitlyn vorübergehend alle Sorgen vergaß und in eine Welt eintauchte, die voller Zauber war. Das Gefühl von Grants Lippen auf ihren, seine Hände auf ihrem Rücken und die Nähe seines starken Körpers war wie Balsam für ihre Seele. Caitlyn hatte sich oft gefragt, wie es sein mochte, diesen Mann zu küssen, wenn sie ihn tatsächlich sympathisch fand.
Jetzt wusste sie es. Es war der Himmel auf Erden.
Nie zuvor hatte sie sich so geborgen gefühlt. Die Anspannung wich aus ihrem Körper und ging in eine ganz natürliche Müdigkeit über.
Grant streichelte sanft ihr Haar, als ob er ein verängstigtes Fohlen beruhigen müsste. “Ruh dich ein bisschen aus, Liebling”, flüsterte er. “Du musst auf dich aufpassen.”
Ausruhen war das Letzte, was Caitlyn im Sinn hatte. Ihr Puls beschleunigte sich, als er sie mit dem Kosewort ansprach und sie duzte. Aber offenbar wusste sie nicht, wie erschöpft sie wirklich war, denn kaum hatte sie den Kopf an seine Schulter gelehnt, da fiel sie schon in tiefen Schlaf.
Wie sie so entspannt und mit einem leichten Lächeln an seine Schulter gelehnt dasaß, war Caitlyn das schönste Geschöpf, das Grant jemals gesehen hatte. Sie wirkte blass im künstlichen Licht und so verletzlich, dass er das unwillkürliche Bedürfnis hatte, sie vor allem Unheil zu beschützen. Drei Worte kamen ihm augenblicklich in den Sinn und erschreckten ihn zutiefst.
Sie gehört mir.
Er wusste natürlich, dass das Wahnsinn war. Caitlyn Flynn konnte ebenso wenig ihm gehören wie das Sonnensystem. Sie war nicht nur in Reichtum und Luxus aufgewachsen und hatte die besten Schulen besucht, sie war außerdem die Tochter seines besten Freundes. Und dieser Freund befand sich im Augenblick im Krankenhaus. Grant fühlte sich dafür verantwortlich, denn Paddy hatte den Herzinfarkt erlitten, als er seine Tochter in dieser kompromittierenden Lage gesehen hatte. Wenn er jemals das Krankenhausbett verließ, würde er Grant den Hals umdrehen. Und er würde bestimmt keinen Schwiegersohn haben wollen, der kaum mehr als ein Highschool-Diplom aufzuweisen hatte.
Grant umarmte Caitlyn fester und schloss die Augen.
Die ersten Sonnenstrahlen drangen bereits durch die Fenster, als Grant aufwachte. Das Erste, was er bewusst wahrnahm, war Caitlyn, die sich an seine Brust geschmiegt hatte. Im selben Moment fiel ihm wieder ein, wo er war und warum. Er sah auf Caitlyn herunter, und ein heftiges Verlangen, wie er es noch nie gefühlt hatte, machte ihm einen Moment lang das Atmen schwer. Wie mochte es sein, jeden Morgen mit ihr in seinen Armen aufzuwachen?
Caitlyn rührte sich und riss Grant aus seinen Träumen. Aber er konnte nicht widerstehen, ihr sanft über den Kopf zu streichen. Sie öffnete die Augen bei seiner Berührung.
“Guten Morgen, Schlafmütze”, sagte er.
“Guten Morgen.” Sie schmiegte sich noch dichter an ihn, als ob nichts auf der Welt natürlicher wäre, und schloss wieder die Augen. Dann blickte sie ihn verwirrt an.
“Wo sind wir?”, stammelte sie. “Wie spät ist es?”
Hinter ihnen räusperte sich jemand.
Caitlyn machte sich von Grant los wie ein Teenager, den man beim Schmusen ertappt hatte. Eine Krankenschwester kam näher. “Sie sind gestern Abend hier angekommen und warten auf Neuigkeiten über Paddy Flynn?”, fragte sie.
Sie nickten
Weitere Kostenlose Bücher