Verführerische Unschuld
war ein so schönes Gefühl, sie unter sich zu spüren, und er war so erleichtert, dass ihr nichts zugestoßen war, dass er ihr erst erklären wollte, was gerade passiert war, bevor er sie wieder freigab.
“Lassen Sie mich erklären …”
“Ja, bitte”, brachte sie stammelnd hervor.
“Behalten Sie den Kopf unten”, befahl er und zog sie so dicht an sich, dass sie seinen warmen Atem an der Wange spürte.
Und jetzt sah sie das schwere Rohr über ihnen an den Stahlseilen wild hin- und herschwingen und erkannte, was geschehen war. “Mein Gott!”, stieß sie entsetzt hervor. Plötzlich war sie unendlich dankbar für die starken Arme, die sie immer noch umfangen hielten, und klammerte sich zitternd an Grants breite Schultern.
“Ganz ruhig”, flüsterte Grant ihr ins Ohr. “Alles ist gut.”
Er war sich nur vage dessen bewusst, was um sie herum geschah, als Caitlyn mit zitternden Fingern über sein Haar fuhr und seinen Kopf zu sich herunterzog. Von der Tochter des Chefs vor aller Welt so leidenschaftlich geküsst zu werden, war eine völlig neue Erfahrung für Grant. Er wusste, dass er etwas tun sollte, aber er konnte sich ebenso wenig gegen Caitlyn zur Wehr setzen wie gegen seinen nächsten Atemzug. Er hatte sich schon fast davon überzeugt, dass die überwältigend sinnliche Wirkung ihres Kusses von gestern Nacht nur ein Zufall gewesen war, aber jetzt machten Caitlyns süße Lippen diese Theorie in der Zeitspanne von zwei Herzschlägen jäh zunichte. Noch nie war Grant mit so einer verzweifelten Sehnsucht geküsst worden.
Wie aus weiter Ferne hörte er jemanden etwas brüllen, und im nächsten Augenblick erschien Paddy. Der Anblick seiner Tochter, begraben unter Grants schwerem Körper und offensichtlich nicht fähig, sich zu rühren, ließ ihn verwirrt die Stirn runzeln. Atemlos blieb er stehen und presste eine Hand auf die Brust.
Grant kam hastig auf die Füße, um Paddy die Situation zu erklären.
“Alles in Ordnung, Daddy. Es geht mir gut!”, rief Caitlyn und lief, so schnell ihre zitternden Beine sie tragen konnten, zu ihrem Vater.
Aber es war zu spät für Erklärungen, denn in diesem Moment sank Paddy zu Boden.
8. KAPITEL
“Holt Hilfe!”, schrie Grant und ging neben Caitlyn in die Knie, um Paddys Puls zu fühlen.
Erstarrt vor Entsetzen, brachte sie kein Wort heraus. Sie bemerkte nicht einmal, wie ihre Tränen auf Paddys Brust fielen. Sie bettete seinen Kopf auf ihren Schoß und murmelte inbrünstige Stoßgebete vor sich hin, wobei sie das Gesicht streichelte, das sie so sehr liebte. Seine Haut fühlte sich erscheckend kalt und klamm an.
Einer der Arbeiter rannte zum Telefon und kam gleich darauf zurück und berichtete, dass ein Rettungshubschrauber aus Casper unterwegs war, dem einzigen Ort innerhalb von hundert Meilen, der einer Stadt am nächsten kam.
Grant machte sich sofort an die Arbeit. Er befahl jemandem, nach Bernie zu sehen, ließ eine Trage holen und half, Paddy so sanft und behutsam wie möglich darauf zu legen. Da er wusste, wie kostbar jede Minute war, wollte er Paddy zu der Stelle bringen, wo der Hubschrauber landen würde.
Caitlyn spürte nicht den heftigen Wind, der ihr das Haar in das tränenüberströmte Gesicht wehte. Sie presste nur die Hand ihres Vaters an die Brust, als ob sie so ihre eigene Lebendigkeit auf ihn übertragen könnte.
“Stirb nicht, Daddy”, flüsterte sie.
Grant nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und sah ihr eindringlich in die Augen. “Reißen Sie sich zusammen. Ich kann nicht mit zwei Notfällen und einer hysterischen Frau gleichzeitig fertigwerden. Ich brauche Ihre Hilfe, Caitlyn. Und Paddy auch.”
Seine Worte erschütterten sie und rissen sie aus ihrem Schockzustand. Caitlyn nickte stumm und straffte die Schultern.
Zusammen mit drei anderen Männern hob Grant die Trage hoch und fühlte sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Als sein Vater beerdigt wurde, hatte er darauf bestanden, den Sarg mitzutragen. Keith Davis hatte sehr viel weniger gewogen als Paddy, aber die Lasten der ganzen Welt wären dem sechzehnjährigen Jungen leichter erschienen als das Gewicht seines Vaters. Ein halbes Jahr später trug er seine Mutter zu dem Grab, das sie mit ihrem geliebten Mann teilen sollte. Er glaubte nicht, dass er die Kraft hatte, noch einen Menschen zu begraben, den er liebte. Paddy war nicht blutsverwandt mit ihm, aber er war trotz allem wie ein Vater für ihn.
“Gib nicht auf, alter Junge”, murmelte er dem blassen Mann auf der Trage
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