Verführerischer Weihnachtstraum
einzuschließen? Hatten sie ihn je an diese Arbeit herangeführt? Er konnte sich nicht erinnern. Er erinnerte sich nur an das Gefühl der Missbilligung in sich, und an seine Ablehnung des erfolglosen Wegs, den sie gewählt hatten.
Pierre hielt generell nicht viel davon, sich im Selbststudium zu ergehen und stundenlang um sich selbst zu kreisen. Aber plötzlich drängte sich ihm der Gedanke wie von selbst auf. War manch wertvolle Beziehung in seinem Leben nur durch einen Mangel an Kommunikation verdorrt?
Als Pierre älter geworden war, erwachsen geworden war, hatten seine Eltern schon aufgegeben. Wahrscheinlich sahen sie in ihm nur noch den Mann, der wenig Optimistisches oder Unterstützendes zu sagen hatte. Er konnte Didi und Charlie keinen Vorwurf daraus machen. Er hörte sich selbst noch – seine Vorträge darüber, wie nutzlos ihre Arbeit doch sei, ein Fass ohne Boden. Da könnte man das Geld gleich in den Schredder werfen. Stattdessen empfahl Pierre, in Immobilien zu investieren und in Grundbesitz. Natürlich ohne Erfolg. Also hatte er aufgegeben. Er hatte gelernt, an der Oberfläche zu bleiben und jegliches tiefere Gespräch zu vermeiden. Bis er dann irgendwann nur noch erleichtert gewesen war, wenn er in sein hektisches Stadtleben zurückkehren konnte.
Dieses Muster hatte über Jahre angedauert. Bis heute.
Pierre drehte sich um, weg von Georgie. Der Schlaf würde bald kommen. Er war müde. Er hatte den halben Tag hinter dem Steuer verbracht, dann anderthalb Stunden am Computer. Trotzdem würde er im Morgengrauen aufwachen; das schien einfach sein Biorhythmus zu sein. Aber bis dahin blieben ihm noch ein paar Stunden.
Ein leises Geräusch weckte Pierre auf. Nein, es war eine Bewegung. Sofort war er hellwach.
Eine weibliche Silhouette stand an der Tür. Nur ein zierlicher Schatten, der sich vorsichtig zum Bett zurücktastete, um in der Dunkelheit nicht zu stolpern. Georgie.
„Du kannst ruhig Licht anmachen“, sagte er, und sie stieß einen kleinen erschreckten Schrei aus.
„Wieso bist du wach?“
Pierre schaltete die Nachttischlampe ein. Georgie kroch wie der Blitz zurück unter die Decke, mit roten Wangen und ganz schlafzerzauste Weiblichkeit.
„Du kannst das Licht wieder ausmachen. Ich musste nur kurz zur Toilette. Und jetzt werde ich weiterschlafen.“ Sie drehte sich demonstrativ auf die Seite, den Rücken zu Pierre, und zog das Federbett so hoch wie möglich war.
„Ich habe einen sehr leichten Schlaf“,antwortete er auf ihre Frage, auch wenn klar war, dass sie jetzt so tun würde, als wolle sie schlafen. Er jedoch war definitiv wach. Er kannte auch den Grund dafür: Es war fast sechs. Üblicherweise stand er jetzt auf. „Ich habe mich eigentlich nie an die Geräusche gewöhnen können, die die Tiere auf dem Land von sich geben. Damit hatte ich schon immer zu kämpfen, wenn ich in den Ferien vom Internat nach Hause kam. Wenn man nicht an Schafe und Eulen gewöhnt ist, können sie erstaunlich laut sein.“ Amüsiert wurde ihm bewusst, dass sie ihm noch immer den Rücken zukehrte und steif wie ein Brett dalag.
Dieses lange Wochenende passte eigentlich gar nicht in seinen Zeitplan. Er konnte sich diese Auszeit überhaupt nicht leisten. Normalerweise plante er die Besuche bei seiner Mutter immer lange im Voraus, damit er seinen vollen Terminkalender entsprechend darauf abstimmen konnte.
Wenn auch eher unwillig: Er musste zugeben, dass es keineswegs so schrecklich war, wie er befürchtet hatte.
Auf gar keinen Fall hatte er erwartet, nach dem Abendessen mit Georgie in einem Bett zu enden. Und wenn er ehrlich mit sich selbst war, musste er eingestehen, dass sie ihn – unbegreiflicherweise – tatsächlich ein wenig reizte.
Er verspürte den plötzlichen Drang, sie zu überraschen, um sie aus ihrer eisigen Starre aufzuschrecken. Seltsam. Solch alberner Übermut war völlig untypisch für ihn.
„Ich habe mit Jennifer Schluss gemacht.“ Er ließ den Köder vor ihrer Nase baumeln, neugierig, wie sie darauf reagieren würde. Er wartete. Und erhielt seine Reaktion.
Sie drehte sich zu ihm um, und auch wenn er auf dem Rücken lag, die Hände unter dem Kopf verschränkt, und an die Decke starrte, so konnte er doch ihren Blick fühlen.
„Das tut mir leid.“
„Warum? Ich sagte doch schon, dass es nichts wirklich Ernstes war. Außerdem hielt ich es für unfair ihr gegenüber, sie in der Luft hängen zu lassen, während ich Zeit mit einer anderen Frau verbringe.“
„Das lässt sich so ja wohl
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