Verführerischer Weihnachtstraum
Pierre. Es ging ihr nämlich unter die Haut und untergrub ihre Verteidigungsmauern. Sie setzte ein Lächeln auf und ließ ihn mit dem Topf zurück.
Was hätte sie sonst auch tun können?
Pierre lehnte die Hilfe der Frauen rigoros ab. Als er den Eintopf dann schließlich servierte, war er genauso gut, wie er geduftet hatte. Allerdings fehlten die kleinen Neckereien und die Wortgefechte während des Essens. Georgie hatte sich inzwischen fast schon daran gewöhnt; sie vermisste sie regelrecht. Zwar hatte sie sie abgewiegelt, sooft sie nur konnte, dennoch machte sich Enttäuschung in ihr breit. Auf Didi wirkte ihr Sohn wahrscheinlich wie immer. Georgie jedoch bemerkte den Unterschied nur allzu deutlich: Pierre versuchte nicht mehr, sie wie zufällig zu berühren. Und er schaute sie auch nicht mit seinen unglaublichen Augen länger an, so als wolle er sich jede Kleinigkeit merken, obwohl er genau wusste, dass sie das irritierte und ärgerte.
Also hatte er verstanden, was sie ihm gesagt hatte, klar und deutlich. Siesollte dankbar und erleichtertsein. War das denn nicht genau das, was sie wollte?
Um genau zu sein, er sah fast überhaupt nicht zu ihr hin, auch wenn es nicht auffiel. Die Unterhaltung verlief locker und flüssig, und eigentlich war er sogar charmanter und lässiger denn je. Trotzdem spürte Georgie die Veränderung in ihm.
„Vielleicht werde ich mich öfter am Kochen versuchen“, meinte er entspannt, nachdem sein Eintopf ausreichend Lob eingeheimst hatte.
„Es wird sich sicher einiges ändern, wenn du wieder in deiner gewohnten Umgebung zurück bist“, sagte Georgie düster, und dieses Mal bedachte er sie tatsächlich mit dem kürzesten aller Blicke.
„Vermutlich hast du recht“, stimmte er zu und stand auf, um den Eindruck des perfekten Hausmannes abzurunden, indem er das Geschirr abräumte. „Die Zeichnung eines Tigers ändert sich eben nie, nicht wahr, Georgina? Wir glauben vielleicht, dass wir tun können, was wir wollen, aber stattdessen stecken wir in unseren Gewohnheiten fest. Und meist sind wir entweder nicht willens oder fähig, sie abzuschütteln.“
„Wie philosophisch, Pierre.“ Didi lachte.
Doch Georgie wurde rot und wandte das Gesicht ab. „Stimmt.“ Ihre Stimme klang unnatürlich schrill. „Oder glaubst du wirklich, dass du selbst kochst, wenn du wieder in London bist? Am Wochenende?“
„Das hängt ganz von der Frau an meiner Seite ab.“
Didi dachte natürlich fälschlicherweise, dass er sich auf Georgie bezog. Georgie jedoch verstand. Er wollte damit sagen, dass viele Fische im Ozean schwammen.
„Liebes“, setzte Didi an, und Georgie fragte sich, ob sie nicht vielleicht doch etwas von der unterschwelligen Spannung mitbekommen hatte, „du erwähntest vorhin deine Arbeit …“
„Habe ich das?“
„Bist du nicht deshalb zu spät gekommen?“
„Oh, sicher! Natürlich! Meine Arbeit! Du weißt doch, wie das ist, Didi. Weihnachten steht vor der Tür, und die Hälfte des ganzen Zeugs ist entweder im Eifer des Gefechts verloren gegangen oder von Motten zerfressen worden.“
„Welches Zeug?“ Pierre kam an den Tisch zurück, setzte sich und zog sich einen zweiten Stuhl als Fußschemel heran.
„Ach, nichts Wichtiges. Es würde dich nur langweilen, Pierre, ehrlich.“
„Ach ja, ich vergaß. Ich bin ein Stadtmensch, der süchtig nach Hektik ist, sich aber vormacht, er könnte Gefallen am Landleben finden.“ Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und musterte Georgie unter halb geschlossenen Lidern. „Es würde mich unsäglich reizen, dich zu einer Wette herauszufordern.“
„Nämlich?“
„Es ist leicht, hier zu sitzen und selbstzufrieden über Leute zu urteilen, die angeblich nicht fähig sind, sich veränderten Umständen anzupassen, ohne selbst je diese Erfahrung gemacht zu haben.“
„Was meinst du?“ Georgie gefiel die Richtung nicht, die das Ganze hier einschlug.
„Du kannst doch gar nicht wissen, ob mir das Landleben gefallen könnte. Ebenso wenig kannst du sagen, ob dir nicht vielleicht das Stadtleben zusagen würde. Im Grunde genommen bin ich sogar eher qualifiziert als du, denn ich habe beides erlebt. Du dagegen nicht.“
„So eine dumme Wette.“ Georgie blickte um Unterstützung heischend zu Didi, doch die nickte nachdenklich und spielte mit ihrem Ohrring.
„Pierre hat recht“, sagte sie dann. „Du hast nicht viel Erfahrung mit dem Stadtleben gemacht, oder? Ich meine, du bist hier aufgewachsen, und dann war da dein Studium …
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