Verführerisches Feuer
für tagsüber.“ Während Lissa ihr das Maßband umlegte, war es schwierig, einen so entschiedenen Ton anzuschlagen, wie Annie es gern getan hätte.
„Ich wusste es!“, erklärte die andere Frau triumphierend, nachdem sie fertig gemessen hatte. „Größe acht. So, wenn Sie jetzt eine Tasse Kaffee möchten, bedienen Sie sich einfach. Und wenn Sie mögen, können Sie sich inzwischen schon mal ausziehen und in einen Bademantel schlüpfen, während ich Ihnen eine hübsche Auswahl zusammenstelle. Es dauert nicht lange.“
Zwei Stunden später kam Annie sich vor wie ein ungezogenes Kind. Und fühlte sich zu Tränen gedemütigt. Aber auch an Lissa war die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Man sah ihr an, dass sie am Ende ihrer Geduld war.
Annie hatte sich wieder umgezogen und trug ihren ausgestellten Jeansrock, dazu eine billige Strumpfhose. Außerdem eine weite Hemdbluse, die sie sich im Endstadium ihrer Schwangerschaft gekauft hatte und die nun viel zu groß schien. Ihr war unangenehm heiß, und sie sehnte sich danach, endlich dem vornehmen Kaufhaus und Lissas unübersehbarer Verstimmung entfliehen zu können.
„Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich jetzt zum x-ten Mal unglücklich. „Aber das kann ich unmöglich tragen.“ Geradeso wie sie es bei fast allen Kleidungsstücken gesagt hatte.
In diesem Moment betrat Falcon die Shoppingsuite.
„Na? Fertig?“, fragte er aufgeräumt.
Annie wusste nicht, was sie sagen sollte, aber sie musste antworten.
„Na ja … eigentlich nicht wirklich …“, stotterte sie verlegen, woraufhin Falcon die Stirn runzelte.
„Stimmt irgendetwas nicht?“
„Wie es scheint, ist alles, was ich herausgesucht habe, zu frei zügig “, machte Lissa ihrer Verärgerung und Hilflosigkeit Luft. Offensichtlich hatte sie das Gefühl, dass ihre Bemühungen nicht gewürdigt wurden.
Das konnte Annie gut verstehen. Die Kleider, die Lissa ihr gezeigt hatte, waren allesamt wunderhübsch, wirklich – luftige Sommerkleider, die perfekt zu ihrem Typ passten, mit dünnen Spaghettiträgern und weit schwingenden Röcken, schicke enge Caprihosen in Weiß und Schwarz, einem lebhaften Hellgrün oder einem Blau, das wunderbar mit der Farbe ihrer Augen harmonierte, kleine enge schulterfreie Tops und ärmellose Kleider mit V-Ausschnitt … lauter Sachen, die es der Sonne erlaubten, so viel Haut wie nur möglich zu küssen. Kleider, dazu angetan, männliche Blicke auf sich zu ziehen. Kleider, die Frauen trugen, die sich nach männlicher Aufmerksamkeit sehnten. Daneben gab es noch Badeanzüge, Bikinis, Oberbekleidung, flache Sandaletten und High Heels und …
„Zu freizügig?“ Falcon schaute auf den Kleiderständer, auf den eine der Assistentinnen jetzt deutete. Er war Italiener und Architekt, deshalb kannte er die Bedeutung von Stilfragen, doch an den Kleidern, die man ihm zeigte, konnte er nichts, aber auch gar nichts entdecken, was die abwertende Bezeichnung „zu freizügig“ verdient hätte.
Jetzt wandte er sich Annie zu und musterte mit zusammengezogenen Augenbrauen ihre wenig kleidsame Bluse und den langweiligen, für hochsommerliche Temperaturen viel zu schweren Jeansrock. Die Furche zwischen seinen Augen vertiefte sich noch, als sein Blick auf ihrer dicken Strumpfhose landete.
„In Sizilien wird es im Sommer bis zu vierzig Grad heiß und manchmal sogar noch heißer, da kommt man ohne leichte Kleidung nicht aus. Die Sachen, die Sie im Moment anhaben, können Sie dort vergessen.“ Dann drehte er sich zu der Verkäuferin um und entschied kurzerhand: „Packen Sie alles ein.“
Alles? Die ganzen Sachen? Annie wollte ihren Ohren nicht trauen. Aber wie sich gleich darauf herausstellte, meinte er es tatsächlich ernst.
War das ein Signal für die Zukunft? Würde es von nun an so weitergehen? Bildete er sich ein, ihr vorschreiben zu können, was sie zu tun und zu lassen hatte? Annie versteifte sich unwillkürlich. Oh nein, das machte sie nicht mit. Vielleicht hätte sie sich das alles doch besser überlegen sollen, womöglich kam sie in Sizilien ja vom Regen in die Traufe. Vielleicht …
„Wir müssen los. In vier Stunden fliegen wir, deshalb schlage ich vor, dass wir jetzt in Ihre Wohnung zurückkehren. Apropos Wohnung: Die Kündigung ist perfekt, Sie müssen nur noch unterschreiben.“
„Und was ist, wenn ich es mir doch noch anders überlege und zurückkommen möchte?“
„Fragt sich nur, wohin zurück. Wie ich gehört habe, hat heute Morgen ihr Stiefbruder bei mir im Büro
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