Verfuehrerisches Geheimnis
Kritisch begutachtete sie ihre Erscheinung im hohen Spiegel und entschied, dass sie mit offenem Haar viel zu jung wirkte, aber noch ehe sie die Gelegenheit bekam, etwas zu ändern, warf sie einen Blick zum Fenster hinaus und sah Arbella Stuart, die vom Fluss herauf aufs Haus zukam. Rasch lief Cat hinunter und trat ihr auf dem Weg entgegen.
»Bella, trotz meiner Einladung hätte ich nie erwartet, dass du wirklich nach Richmond k&mmen würdest. Ist alles in Ordnung?«
»Alles ist wundervoll.« Arbella war atemlos vor Erregung. »Da ich es nicht erwarten konnte, dir alles zu erzählen, hielt ich es für das Beste, herzukommen, damit man uns gemeinsam nach Whitehall zurückkehren sieht.«
Cat nahm ihr die kleine Tasche ab. »Sehr klug. Bei so vielen Spähern am Hof muss man den äußeren Schein wahren.«
Als Catherine mit Arbella eintrat, blickten Isobel und Maggie erstaunt auf, deshalb erklärte Cat rasch: »Ich habe Bella nach Richmond eingeladen, damit sie den Tag mit mir verbringt. Tut mir Leid, dass ich vergessen habe, es zu erwähnen.«
»Lady Arbella ist hier jederzeit willkommen«, sagte Isobel zuvorkommend. »Wie geht es deiner lieben Großmutter?«
»Danke, sehr gut, Lady Spencer.«
»Catherine, du musst Arbella nach nebenan bringen, damit sie die anderen Gäste kennenlernt. Wir sind zu einem frühen Abendessen geladen, ehe es abends wieder flußabwärts geht. Lady Scrope hat eine verwitwete Freundin aus Carlisle eingeladen, und Philadelphias Bruder Robert Carey ist ebenfalls anwesend. Sein Gast Lord Stewart ist mit dir weitläufig verwandt, glaube ich.«
»Patrick Hepburn ist mit dir verwandt?«, fragte Cat erstaunt.
»Er muss es wohl sein.« Bella zog die Brauen zusammen. »Lord Stewart ist mit König James verwandt, und mein Vater und der Vater des Königs waren Brüder. Ich würde gern seine Bekanntschaft machen.«
»Das bezweifle ich«, sagte Cat trocken.
Ihre Mutter ging sofort in Stellung. »Ich werde nicht dulden, dass du dich wieder so unmöglich aufführst wie gestern, meine Liebe! Lord Stewart und ich haben ein wunderbares Gespräch geführt, als wir einander vorgestellt wurden. Er war so zuvorkommend, mir eine Nachricht meines teuren Vaters Gordon Seton zu überbringen, den ich über zwanzig Jahre lang nicht mehr gesehen habe.«
Maggie warf ein: »Lord Stewart sagte zu deiner Mutter, wie sehr du ihn an deinen Großvater Geordie erinnerst!«
»Aber mein Großvater ist Schotte. Wie kann ich ihm ähnlich sein?«
»Ich habe Vater als ausnehmend hübschen Mann mit kohlschwarzem Haar wie deines in Erinnerung. Allerdings war er immer eigenwillig wie der Teufel persönlich«, setzte Isobel hinzu.
»Wenn man es recht bedenkt, ist die Ähnlichkeit schon unheimlich«, sagte Maggie mit todernster Miene.
»Dann hast du nichts zu befürchten. Ich werde mich der geschliffenen Manieren befleißigen, die ich von meinem Großvater, dem Earl of Winton, geerbt habe.«
Cats Lächeln war gelassen. Sie wusste, dass sie das letzte Wort gehabt hatte. Sie führte Bella hinauf und brachte sie in dem Gemach neben ihrem unter. »Ich dachte schon, wir würden nie von ihnen fortkommen. Ich platze vor Neugierde, was du letzte Nacht erlebt hast.«
»Nun, ich bin nicht sicher, ob ich so intime ...«
»Pst!« Cat legte den Finger an die Lippen. »Die Wände haben Ohren«, flüsterte sie. »Lass uns lieber in den Garten gehen. Dor t kann uns niemand belauschen.«
Sie fanden ein ideales Plätzchen auf einer der hölzernen Gartenbänke am Fischteich, in dem orange und schwarze Karpfen an die Oberfläche glitten, um Insekten zu fangen. »Erzähl mir alles«, beschwor Cat ihre Freundin.
Da Robert Patrick sich selbst überlassen hatte, während er sich der reichen Witwe widmete, flüchtete sich der Schotte vor den Damen des Hauses in die Bibliothek von Hunsdon Hall. Er überflog die Bücherborde, blätterte in Arzneibüchern mit zahlreichen Rezepturen, in Lyrikbänden und astrologischen Texten. Es gab Dramensammlungen, Gebetbücher und historische Wälzer. Als er einen der Folianten aufschlug, entdeckte er eine Stammtafel der Familie Carey, der er entnahm, dass sie von Mary Boleyn abstammte. Jemand hatte den Namen ihres Gatten William Carey ausgestrichen und ihn durch Henry Tudor ersetzt. Patrick schmunzelte. Alle zehn Carey-Sprösslinge sind stolz darauf, dass ihr Vater, Lord Hunsdon, ein Bastard König Henrys ist!
Plötzlich zog er die Brauen zusammen, als er sah, dass hinter Hunsdons Namen sein Todesjahr
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