Verfuehrt
und ist auf dem Weg zurück ins Büro, deshalb schiebe ich die Bilder schnell wieder in den Stapel und lächle ihm zu, als er im Türrahmen erscheint.
»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Paola hat noch angerufen«, sagt er, und ich sehe ihn besorgt an.
»Gibt es etwas Neues?«
»Nein, Valentinas Zustand ist stabil. Wir können heute Abend noch mal hinfahren.« Er bedeutet mir, dass wir gehen sollen, und schließt das Büro wieder ab.
Der Flur vor dem Hauseingang ist ziemlich voll, offenbar finden gerade ziemlich viele Seminare statt, und während wir uns den Weg durch die Menge bahnen, legt Matteo wieder den Arm um mich. Was erneut sehr viele überrascht registrieren, denn wir werden ziemlich offen angestarrt.
Ich stoße die Luft aus. »Wenn Blicke töten könnten, dann hätte ich mein Leben wohl soeben ausgehaucht«, flüstere ich ihm zu, und er lacht, während er schwungvoll die Glastür öffnet und mir den Vortritt auf den Treppenabsatz vor dem Eingang lässt. Das hat er schon lange nicht mehr getan, denke ich überrascht, und lächle ihn strahlend an.
»Was ist daran komisch, hm?«, frage ich ihn gespielt streng. »Dank dir schwebe ich jetzt quasi in Lebensgefahr. Wenn ich allein herkomme, stürzt sich die Meute bestimmt auf mich und rupft mir jedes Haar einzeln aus, weil ich es gewagt habe, mir den heißen Professore zu schnappen, den sie eigentlich selbst …«
Matteo bleibt stehen und greift nach meiner Hand, zieht mich zurück in seine Arme und schlingt sie so fest um mich, dass ich keine Chance habe, mich zu befreien. Sein Gesicht ist jetzt dicht vor meinem, und seine Lippen streifen meine Wange.
»Wenn sie das wagen, dann kriegen sie definitiv Ärger mit dem Professore «, sagt er mit seiner tiefen Stimme, die ich so sexy finde, und küsst mich, lange und ausgiebig und so verführerisch sanft, dass meine Knie nachgeben und ich zittere, als er meine Lippen wieder freigibt. Seine Augen schimmern golden, und ich versinke darin, verwirrt und hoffnungsvoll und glücklich.
»Matteo, ich …« Liebe dich , will ich wieder sagen, doch er küsst mich noch mal, schneidet mir das Wort ab, so als wüsste er das genau, und als er mich dann wieder ansieht, ist dieser wachsame Schatten in seinen Blick zurückgekehrt.
»Komm.« Er nimmt meine Hand und zieht mich die Treppe hinunter in Richtung Auto.
Er will das nicht hören, denke ich und schlucke. Vielleicht weil er darauf nicht antworten will.
Und plötzlich wird mir klar, dass sich an dem Schwebezustand, in dem wir uns schon befinden, seit wir uns getroffen haben, nichts geändert hat. Das, was uns verbindet, ist alles immer noch ohne Netz und doppelten Boden. Ohne Garantien. Ich kann es nur nehmen, wie es kommt, einen Tag nach dem anderen. Aber verglichen mit gestern ist dieser heute zumindest eine wirkliche Steigerung, denke ich mit einem ironischen Lächeln und steige zu Matteo in den Alfa.
»Und was jetzt?«, frage ich, als wir die Città verlassen haben und wieder unterwegs durch die Stadt sind.
»Jetzt fahren wir zurück zur Villa«, sagt Matteo. »Es gibt da nämlich noch etwas, das ich wiedergutmachen muss.«
Ich runzele die Stirn. »Was denn?«
Seine Augen glitzern jetzt, und das Grübchen erscheint auf seiner Wange, als sein Lächeln sich vertieft.
»Lass dich überraschen.«
19
»Was hast du vor?«, frage ich ein bisschen irritiert, als Matteo mich rauf in sein Atelier im zweiten Stock seiner Villa führt.
Es ist lange her, dass ich zuletzt hier war, und einiges hat sich verändert, überlege ich, während ich den Blick durch den großen, hellen Raum gleiten lasse. Die Staffeleien, an denen seine Schüler arbeiten, wenn er hier seine Malklasse abhält, sind noch da, aber sie sind jetzt anders angeordnet, stehen alle am Ende des Raumes zusammen, als hätten sie Platz für etwas anderes machen müssen. Auch der Tisch, auf dem ich damals gesessen habe, als ich als Aktmodell eingesprungen bin, ist ganz an die Wand gerückt und es stapeln sich Zeichnungen darauf. Durch die verrückten Möbel ist die Fläche vor der breiten Fensterfront, die fast über die gesamte Länge des Raumes reicht, frei und lässt alles viel weitläufiger wirken, als ich es in Erinnerung hatte.
Nur die alte, schon etwas zerschlissene Ledercouch steht noch an ihrem Platz an der Stirnseite des Raumes, und dorthin führt mich Matteo, bleibt davor stehen und dreht mich zu sich um.
»Was machen wir hier?«, frage ich erneut, doch er antwortet nicht, lässt seine
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