Verführt im Harem des Scheichs
sich sogar anders als daheim. Das konnte nicht nur an ihren mit Juwelen besetzten leichten Schuhen liegen. Sie schien eher zu gleiten als zu gehen. Wie war das nur möglich?
„Du siehst aus wie Scheherezade“, stellte Cassandra mit einer Mischung aus Neid und Scheu fest. „Dieses Gewand, das du anhast … Es ist so … so prachtvoll.“
Celia drehte sich einmal um die eigene Achse. „Gefällt es dir? Die orientalischen Kleidungsstücke sind dem Klima hier viel besser angepasst als unsere englische Mode. Außerdem liebe ich die kräftigen Farben.“
„Celia“, meldete sich jetzt Tante Sophia zu Wort, „du hast dir doch hoffentlich nicht angewöhnt, auf dein Schnürmieder zu verzichten?“ Missbilligend betrachtete sie die Figur ihrer ältesten Nichte. So weiblich hatte Celia früher nicht gewirkt. All diese Rundungen, die von den weichen Stoffen umspielt wurden. „Ich hoffe doch sehr, dass du in dieser Aufmachung niemals diese Räumlichkeiten verlässt?“
„Liebste Tante Sophia, es ist viel zu heiß hier, als dass man ein Schnürmieder tragen könnte.“
„Und dein Haar? Trägst du es etwa immer offen?“
„Durchaus nicht. Fatima und Adila haben mir schon die fantasievollsten Frisuren gemacht. Im Übrigen bedecke ich mein Haar mit einem Tuch, wenn ich das Haus verlasse. Das heißt, im Allgemeinen trage ich sogar einen Schleier, weil er vor der Sonne schützt.“
Missbilligend krauste die ältere Dame die Stirn. „Du benimmst dich tatsächlich schon wie eine Einheimische. Wie ich sehe, verzichtest du neuerdings auch auf Strümpfe. Und seit wann ist es üblich, seine Unterwäsche zur Schau zu stellen? Diese Hose …“
„Diese Hose nennt man Sirwal, und sie zählt ganz und gar nicht zur Unterwäsche. Alle Frauen hier tragen sie auch in der Öffentlichkeit.“ Sie machte eine kurze Pause und strahlte ihre Verwandten an. „O Cassie, Tante Sophia! Ich kann euch gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, euch zu sehen. Gleich muss Adila mit dem Sorbet hier sein. Das wird euch gefallen. Es ist wunderbar erfrischend.“
„All diese Kissen …“, begann Cassandra. „Warum liegen sie auf dem Fußboden?“
„Weil“, Celia ließ sich graziös auf eins der Kissen sinken, „man hier darauf sitzt.“
Cassie gesellte sich sogleich zu ihr, doch Tante Sophia erklärte: „Nur Heiden sitzen auf der Erde.“
„Wo ist Papa?“, erkundigte Celia sich.
„Er spricht mit dem Fürsten.“
„Wie geht es den Mädchen? Habt ihr meine Briefe bekommen?“
„Über die Briefe haben wir uns sehr gefreut. Aber wir wussten ja nicht, an welche Adresse wir dir antworten sollten. Und die Mädchen waren wohlauf, als wir sie verließen. Sie lassen dich herzlich grüßen“, berichtete Cassie.
Und Lady Sophia, die sich noch nicht mit den Veränderungen abfinden konnte, die mit ihrer Nichte vorgegangen waren, fragte: „Deine Briefe kamen mir manchmal ein bisschen … vage vor. Celia, Liebes, geht es dir wirklich gut?“
„Sieht man mir das nicht an?“
„Doch!“ Das war wieder Cassie. „Ich glaube, du hast noch nie so gut ausgesehen. Ein bisschen älter, aber vor allem … schöner.“ Sie vermochte ihre Verwunderung über die unerwartete Schönheit ihrer Schwester nicht zu verbergen. „Ist sie nicht bezaubernd, Tante Sophia?“
Die ältere Dame spitzte die Lippen. Gerade erschien Adila mit den Getränken. Durstig trank Tante Sophia erst einmal einen Schluck. „Hm … Das ist wirklich erfrischend.“ Sie leerte ihr Glas. „Sag, Celia, ist dies hier wirklich ein Harem?“
„Ja.“
„Und wo sind die anderen?“, wollte Cassie wissen. Sie schaute sich um, als erwarte sie, dass plötzlich eine Gruppe spärlich bekleideter Frauen auftauchen würde.
„Fürst al-Muhana ist nicht verheiratet“, meinte Celia lächelnd.
Tante Sophia räusperte sich. „Celia, ich muss dich das fragen. Hm … Also … Hat dieser Mann … Hat er sich dir gegenüber irgendwelche Freiheiten herausgenommen? Deine Schwestern waren in großer Sorge um dich. Ich habe natürlich versucht, sie zu beruhigen. Aber insgeheim habe auch ich mir Gedanken um deine Sicherheit gemacht. Er hat dich doch nicht …“
Celia spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Es war schwer, die richtigen Worte zu finden, wenn ihre Schwester sie aus diesen großen blauen Augen gespannt anschaute und Tante Sophias graue Augen Besorgnis verrieten. „Scheich al-Muhana hat mich stets mit der größten Achtung behandelt“, brachte sie schließlich hervor.
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