Verfuehrt in Las Vegas
gewagten Manöver überholt. Graham musste im allerletzten Moment bremsen. Er stieß einen kräftigen Fluch aus.
Caitlin lachte, als sie sein Gesicht sah. „Kein Wunder, dein Auto ist ja auch wirklich eine Provokation”, meinte sie belustigt. „Was zum Teufel hat dich nur bewogen, ein solches Schlachtschiff zu erwerben?”
Graham bezweifelte, dass sie seine Leidenschaft für den Wagen jemals verstehen könnte. Er bedeutete für ihn die Suche nach Schönheit, nach Originalität. Auf geheimnisvolle Weise fühlte er sogar eine gewisse Verwandtschaft mit dem Eldorado.
Sie beide hatten etwasgemeinsam - sie passten nicht in eine Welt, in der alles nach den gleichen Normen ausgerichtet war. Aber von alldem sagte er Caitlin natürlich nichts.
„Es ist ein Klassiker”, erwiderte er ausweichend. „Und ich habe nun einmal eine Schwäche für Klassiker.” Er warf Caitlin einen langen, bedeutungsvollen Blick zu.
Seine Worte brachten erneut die Erinnerung zurück. Gleichzeitig empfand Caitlin sie wie einen Schlag ins Gesicht.
„Ja. das hast du mir damals schon gesagt.”
Verdammt noch einmal, warum ließ Graham sie nicht vollkommen kalt? Wenn man bedachte, was er ihr alles angetan hatte … Sie wünschte sich, dass ihr Laden nicht so weit von der Polizeiwache entfernt wäre. Oder dass sie sich wie geplant ein Taxi geholt hätte. Dann hätte sie sich diese ganzen Peinlichkeiten sparen können.
Verzweifelt suchte Caitlin nach einem unverfänglichen Thema. „Glaubst du, ihr schnappt den Mörder?”
Graham war dankbar für den Themenwechsel. Dies war sein Terrain, hier kannte er sich aus. Die Spannung zwischen ihnen lockerte sich etwas.
„Ich würde sagen, die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig”, ent gegnete er ruhig.
Wenigstens versuchte er nicht, ihr etwas vorzumachen. „Fünfzig zu fünfzig?” fragte Caitlin bestürzt. „Mehr nicht?”
„Hey, das ist eine ziemlich gute Quote.” Es hing alles vom Standpunkt des Betrachters ab. „Im Leben ist es nun einmal nicht wie im Kino. In den allermeisten Fällen gehen die Verbrecher straffrei aus.” Ein Schauer überlief Caitlin. Graham blieb ihre Reaktion nicht verborgen. Es tat ihm leid, dass er ihr so offen geantwortet hatte. Er hatte sie nicht erschrecken wollen. Aber inzwischen hatte er sich so sehr an die tägliche Gefahr gewöhnt, dass sie für ihn nichts Besonderes mehr darstellte.
„Hast du Angst?” fragte er geradeheraus.
„Ich?” Caitlin versuchte zu lachen, aber es wollte ihr nicht recht gelingen. So schnell, wie es gekommen war, verschwand ihr Lächeln auch wieder. „Vielleicht ein bisschen”, meinte sie kleinlaut.
Graham tat sein Bestes, sie zu beruhigen. „Mach dir keine Sorgen, Caitlin. Der Mörder sitzt jetzt höchstwahrscheinlich bereits in einem Bus nach Süden.”
Sie gab sich Mühe, daran zu glauben. Ja, hoffentlich verschwand der Mann auf Nimmerwiedersehen! Sie wünschte sich so sehr, dass mit diesem Alptraum jetzt Schluss sein mochte.
„Meinst du wirklich?” fragte sie hoffnungsvoll.
Graham nickte. Sie hatten jetzt die Innenstadt erreicht. Nach einigem Suchen fand er endlich auch einen Parkplatz, der groß genug für den Eldorado war.
„Ja, das meine ich wirklich”, erwiderte er ernst und stellte den Motor ab. Dann griff er in seine Jackentasche und holte eine Visitenkarte hervor.
„Falls dir trotzdem irgend etwas oder irgend jemand Verdächtiges auffallen sollte, ruf mich bitte sofort an, ja?”
Caitlin besah sich die Karte. Darauf standen Grahams Name, sein Dienstgrad sowie Nummer und Adresse seines Reviers. Es sah wirklich sehr professionell aus. Sie nickte, und steckte die Karte ein.
„Wahrscheinlich hast du ja recht”, sagte sie. „Es wäre wirklich das Klügste von dem Mann, sofort von hier zu verschwinden.” Es klang ein wenig so, als wollte sie es sich einreden, was beiden nicht verborgen blieb. „Und was hast du jetzt vor? Bezüglich des Falls, meine ich natürlich”, setzte sie hastig hinzu. Er sollte ja nicht denken, dass sie an seinem Privatleben interessiert wäre.
Graham wusste genau, was jetzt zu tun war. Dies war schließlich Standardroutine.
Aber er erklärte es Caitlin noch einmal.
„Also, zunächst werden wir alle Leute in der näheren Umgebung befragen, ob sie irgend etwas bemerkt haben. Dabei hilft uns hoffentlich die Phantomzeichnung, die unser Zeichner nach deinen Angaben gemacht hat. Es kann ja sein, dass der Mörder sich schon öfter hier herumgetrieben hat.”
Caitlin nickte.
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