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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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angespannt hin und her, während das Rascheln des eleganten Seidenrocks jedem ihrer Schritte zu spotten schien. Das vor Anker liegende Schiff war von einer apathischen Ruhe und dümpelte sachte in der Dünung. Doch die Malaise des Schoners beschleunigte nur Lucys rastlosen Schritt. Sie presste sich die Hände auf die Ohren, konnte aber das gnadenlose Chronometer, das in ihrem Kopf tickte, nicht zum Schweigen bringen. Das Stundenglas schien wieder zu rieseln, und sie stand winzig klein daneben, unfähig, sich aus dem erstickenden Regen aus Glas und Sand zu befreien.
    Mitten auf ihrer Flucht nach Nirgendwo hielt sie inne und klammerte sich an die Lehne eines Stuhls, die Haare zerzaust, als wären sie das Spiegelbild des Tumults in ihrem Kopf. Waren dies die Gefühle, die der Admiral ihrer Mutter beschert hatte? Hatte sie der Wirrwarr aus Fakten und Emotionen in die Verzweiflung gestürzt? War Annemarie Snows angebliche Hysterie nichts anderes als ihre Unfähigkeit, in Einklang zu bringen, was sie objektiv wusste und was ihr Herz ihr sagte?
    Lucy pustete sich eine Strähne aus den Augen und bemühte sich, die Sache mit einer Spur ihrer alten Logik zu betrachten. Der Admiral hatte sie belogen. Gerard hatte sie belogen. Im Grunde genommen hätte es ihr egal sein können, wenn die beiden sich gegenseitig umbrachten.
    Aber warum konnte sie dann einfach nicht damit aufhören, die beiden Männer zu lieben. Sie krallte die Finger in die Lehne. Der Admiral war, all seiner Perfiditäten zum Trotz, immer noch ihr Vater. Und nicht einmal der schlimmste Betrug konnte ein ganzes Leben voller blinder Bewunderung ungeschehen machen.
    Und Gerard? Oh, Gerard , echote ihr Herz. Die Vorstellung, ihm könne irgendein Leid geschehen, ließ ihr rasendes Herz schmerzen, als risse man es ihr aus der Brust.
    Sie richtete sich entschlossen auf und ließ den Stuhl los. Im Gegensatz zu dem, was der Admiral ihr beigebracht hatte, stand sie den Ränkespielen der Männer nicht hilflos gegenüber. Wenn Gerard sie eines gelehrt hatte, dann, dass Frauen eigene Waffen besaßen, die mit Pistolen und Kanonenkugeln nichts zu tun hatten. Zärtlichkeit. Anmut. Vergebung.
    Sie konnte dieses Desaster beenden, bevor es noch richtig begonnen hatte. Bevor einer der beiden Männer, die sie liebte, verletzt wurde oder sogar getötet. Sie würde sich wie eine Opfergabe zwischen die beiden werfen. Ihre Liebe musste einfach stark genug sein, Gerards Hass zu überwinden. Sie würde mit ihrer Zärtlichkeit seinen Jähzorn besänftigen und ihm gestatten, seine Rachsucht an ihrem willigen Körper auszuleben.
    Sie richtete mit bebenden Händen ihren Chignon, strich den Rock glatt und bereitete sich darauf vor, dem Kapitän der Retribution ihre Unschuld und ihre Liebe anzubieten.
     
    Lucys aufgeregter Herzschlag übertönte das Geräusch ihrer bestrumpften Füße auf dem Plankenboden, während sie auf Gerards Tageskajüte zulief. Allem Zittern zum Trotz bereute sie ihre impulsive Entscheidung nicht. Sie wusste instinktiv, dass Gerard das kostbare Geschenk, das sie ihm anbot, würde zu schätzen und zu ehren wissen. Ein Geschenk, von dem sie einst gedacht hatte, sie werde es nur ihrem Ehemann machen.
    Sie verspürte ein sehnsuchtsvolles Bedauern, nicht des gesichtslosen Ehemannes wegen, sondern weil Gerard nicht dieser Mann war. Er würde ihr nie einen Ring an den erwartungsvollen Finger stecken. Würde ihr niemals ingwerblonde Babys schenken, mit feurigem Temperament und der Neigung, Unheil anzurichten. Sie wischte sich lächelnd eine Träne von der Wange. Vielleicht war es auch gut so. Mit solch einer umtriebigen Brut wäre sogar der unerschütterliche Smythe überfordert gewesen.
    Aus der halb geöffneten Tür der Tageskajüte fiel Laternenlicht auf den Gang. Lucy blieb zögernd am Türbogen stehen. Gerards tiefe, melodische Stimme war genauso hypnotisierend wie damals, als Lucy sie zum ersten Mal vernommen hatte. Von dort, wo sie stand, konnte sie Gerard nicht sehen, wohl aber Apollo, der über den Kartentisch gebeugt saß, während das Geräusch seiner übers Pergament fliegenden Schreibfeder die ausgedehnten Pausen füllte, die Gerard einlegte.
    Gerard diktierte. Und ging dabei auf und ab. Wie er es früher schon getan hatte. Sein Schatten überquerte eine Hängematte in der Ecke der Kajüte, und Lucy wusste nun, wo er geschlafen hatte, seit er ihr sein geräumiges Quartier abgetreten hatte. Der winzige Raum war mehr eine Zelle als eine Kajüte, und Lucy fragte sich

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