Verfuehrt, Verlobt - Verraten
bleiben? Noch vor Minuten waren Sie wütend auf mich, weil ich Sie in eine unmögliche Situation gebracht habe.“
„Das haben Sie allerdings. Nur bin ich ein Mann, der sich einer Situation schnell anpassen kann. Dann bleibe ich eben ein paar Tage länger als geplant. Das wird sich als Vorteil für meinen Plan erweisen. Ich muss zugeben, mein Vater ist nicht der Mann, den ich zu treffen erwartet hatte. Ich hatte angenommen, das mit seiner angeschlagenen Gesundheit wäre übertrieben gewesen. Doch jetzt konnte ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen. Es liegt wohl an seiner Gebrechlichkeit, dass er so friedlich ist. Und ich bin kein Monster. Ich wollte ihn offen auf seine finanzielle Lage ansprechen, doch wie es aussieht, werde ich das Thema wohl behutsamer angehen.“
Die Landschaft raste vorbei, die Sonne schien, vor ihnen lag der schimmernde blaue See, und zum ersten Mal seit Jahren empfand Giancarlo ein berauschendes Gefühl von Freiheit. „Außerdem war ich schon lange nicht mehr in diesem Teil der Welt.“
Er bog von der Hauptstraße ab und folgte den Schildern zur Anlegestelle des Bootsverleihs. Das glitzernde Wasser kam immer näher, und Caroline vergaß all ihre Bedenken über Giancarlos Vorhaben, vergaß, dass Alberto seinem Sohn ausgeliefert war, der nur auf Rache sann.
„Ich glaube, ich kann das nicht“, murmelte sie, als der Wagen abbremste.
Giancarlo stellte den Motor ab und drehte sich im Sitz zu ihr hin. „War dieser Segeltörn nicht Ihre Idee?“
„Es sollte Ihr Segeltörn werden.“ Touristen flanierten über den Kai, auf dem Wasser wiegten sich die vor Anker liegenden Boote sacht auf den Wellen. Draußen auf dem See drehten bereits einige größere Boote ihre Segel in den Wind. Die konnten jeden Moment sinken, und was würde dann aus den glücklich lachenden Menschen werden …? Caroline fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen.
„Sie sind ja weiß wie ein Laken. Haben Sie etwa wirklich Angst vor Wasser?“
„Vor dem offenen Wasser. Da kann alles Mögliche passieren, vor allem mit einer so winzigen Nussschale.“
„Es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Die Fahrt auf der Straße hierher war wahrscheinlich riskanter als die Fahrt da draußen auf dem Wasser.“ Giancarlo stieg aus und kam um den Wagen herum, um die Beifahrertür aufzuziehen. „Und Sie hatten recht damit, dass man sich seinen Ängsten stellen muss, vor allem, wenn es irrationale Ängste sind.“ Er bot ihr seine Hand, und Caroline legte die zitternden Finger hinein.
„Woher sollten Sie das schon wissen? Sie haben doch sicher in Ihrem ganzen Leben noch keine Angst gehabt.“ Misstrauisch schaute sie auf den See hinaus.
„Das nehme ich als Kompliment.“ Die Finger mit ihren verschränkt, zog er sie mit sich auf den Anlegesteg.
Er hätte nie erwartet, dass er tatsächlich einen Tag verbringen würde, ohne an Arbeit zu denken. Seine Mutter hatte ihm kein Detail ihrer unsicheren finanziellen Situation erspart, obwohl er viel zu jung gewesen war, um es überhaupt zu verstehen. Und so war er zu einem Mann herangewachsen, für den das Anhäufen von Geld ein tief sitzendes Grundbedürfnis war. Die Tatsache, dass er offensichtlich ein Händchen dafür hatte und richtig gut darin war, hatte seinen Ehrgeiz nur weiter angestachelt. Frauen kamen und gingen, aber die Herausforderungen, die seine Arbeit an ihn stellte, würden immer konstant und vor allem interessant bleiben.
Im Moment jedoch schien die viel beschworene Arbeit erst einmal in den Hintergrund gedrängt worden zu sein. Denn ein fast übermütiges Gefühl erfasste ihn, als Caroline seine Hand immer fester hielt, je näher sie dem Wasser kamen.
„He, vertrauen Sie mir. Die Sache lohnt sich wirklich. Es verleiht ein unglaubliches Gefühl von Freiheit, wenn man draußen auf dem See ist. Und es ist anders als auf dem Meer. Hier kann man das Ufer immer sehen, man verliert nie die Orientierung.“
„Wie tief ist der See?“
„Daran dürfen Sie nicht denken. Gibt es einen bestimmten Grund für diese Angst?“
Caroline zögerte. Sie mochte den Mann nicht, und doch reizte es sie, seine Einladung wahrzunehmen. Außerdem hielt er noch immer ihre Hand. Sobald ihr das bewusst wurde, versuchte sie, ihm ihre Finger zu entziehen, mit dem Resultat, dass sein Griff nur fester wurde.
„Also?“, hakte er nach.
„Als Kind bin ich beim Spielen kopfüber in den Fluss gefallen. Ich muss damals ungefähr sieben gewesen sein, hatte gerade schwimmen
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