Verführt von einer Lady
was er sonst sagen sollte. Und es tat ihm ja auch leid. Was genau, das wusste er nicht, aber dieses schreckliche, schmerzhafte Gefühl in seiner Brust – das musste Kummer sein.
Vielleicht auch Reue.
Dass sie nicht die Seine war.
Dass sie nun nie die Seine werden würde.
Dass er nicht dieses kleine Stück von sich selbst ignorieren konnte, das aufrecht und wahrhaftig war. Dass er nicht einfach sagen konnte: Ach, hol’s der Teufel! Und sie hier auf der Stelle nahm.
Dass es, wie sich zu seiner großen Überraschung herausstellte, nicht der Duke of Wyndham war, der immer das Richtige tun wollte.
Sondern Thomas Cavendish.
Das Einzige, was er niemals verlieren würde.
18. KAPITEL
Mehr als einmal hatte Amelia auf der Reise nach Cloverhill gedacht, welche Ironie des Schicksals es doch sei, dass sie kürzlich die Kartografie für sich entdeckt hatte.
Denn ihr wurde erst jetzt klar, dass ihr gesamter Lebensweg von anderen schon fest geplant und aufgezeichnet worden war.
Selbst jetzt, wo sich alle Pläne zerschlagen hatten, spitzten andere schon wieder den Stift, um eine neue Karte für sie anzufertigen, auf der ihr gesamter Lebensweg eingezeichnet war.
Ihr Vater.
Die Herzoginwitwe.
Sogar Thomas.
Jeder, so schien es, durfte etwas zu ihrer Zukunft beitragen. Nur sie nicht. Aber in dieser Nacht würde sie das nicht gelten lassen.
„Es ist schon spät“, sagte sie leise.
Seine Augen weiteten sich, sie nahm seine Verwirrung wahr.
„Aber nicht zu spät“, flüsterte sie. Sie sah auf. Die Wolken hatten sich verzogen. Sie hatte den Wind gar nicht gespürt – sie hatte gar nichts wahrgenommen außer ihm, und dabei hatte er sie kein einziges Mal berührt. Aber plötzlich war der Himmel klar. Die Sterne funkelten.
Das war wichtig. Sie wusste nicht, warum, aber es war wichtig.
„Thomas“, flüsterte sie, und das Herz hämmerte ihr in der Brust. Es donnerte vielmehr.
Brach.
„Thom…“
„Nicht“, sagte er heiser. „Nennen Sie mich nicht bei meinem Namen.“
Warum nicht?
Es lag ihr schon auf der Zunge, aber sie ließ die Frage unausgesprochen. Irgendwie wusste sie, dass sie sie besser nicht stellte. Wie die Antwort auch lauten mochte, sie wollte sie nicht hören. Nicht jetzt, nicht, wenn er sie mit so heißer, trauriger Intensität anschaute.
„Niemand ist da“, flüsterte sie. Es stimmte, alle schliefen. Sie wusste nicht, warum sie auf etwas derart Offensichtliches hinwies. Vielleicht wollte sie ihm damit etwas zu verstehen gehen … ohne es direkt auszusprechen. Wenn er sich herabbeugte, wenn er sie küsste …
Würde sie es begrüßen.
Er schüttelte den Kopf. „Irgendwer ist immer da.“
Aber da täuschte er sich. Es war mitten in der Nacht. Alle schliefen. Sie waren allein, und sie wollte … sie wollte …
„Küssen Sie mich.“
Sein Blick loderte auf, und einen Augenblick sah es fast so aus, als litte er Schmerzen. „Nicht, Amelia.“
„Bitte.“ Sie lächelte, so frech, wie es ihr möglich war. „Das sind Sie mir schuldig.“
„Ich …“ Erst wirkte er überrascht, dann amüsiert. „Ich bin Ihnen das schuldig?“
„Für zwanzig Jahre Verlobung. Dafür schulden Sie mir einen Kuss.“
Er lächelte widerstrebend. „Für zwanzig Jahre Verlobung schulde ich Ihnen wohl mehr als einen Kuss.“
Sie leckte sich die Lippen. Er würde es tun. Er würde sie küssen. Er würde sie küssen, und bei Gott, sie würde diesen Kuss erwidern.
Sie tat einen Schritt auf ihn zu.
„Nicht“, sagte er, aber seine Stimme klang nicht allzu fest.
Sie streckte die Hand aus, hätte ihn beinahe berührt.
„Amelia, nicht“, sagte er rau.
O nein. Er würde sie nicht wegschieben. Das würde sie nicht zulassen. Er würde nicht sagen, dass es zu ihrem Besten war, dass er wusste, was gut für sie war, dass irgendwer das besser wusste als sie selbst. Es war ihr Leben und ihre Nacht, und er war ihr Mann.
Sie stürzte sich auf ihn.
„Am…“
Möglicherweise wollte er ihren Namen sagen. Oder vielleicht war es auch nur ein Ausruf der Überraschung. Sie wusste es nicht. Es war ihr auch egal. Sie war darüber hinaus, sich wegen derartig trivialer Dinge Sorgen zu machen. Sie hielt sein Gesicht mit den Händen umfasst, und sie küsste ihn. Vielleicht etwas ungeschickt, aber mit all der verrückten Inbrunst, die in ihr brannte.
Sie liebte ihn.
Sie liebte ihn. Vielleicht hatte sie es ihm nicht ausdrücklich gesagt, und vielleicht würde sie nie die Gelegenheit dazu bekommen, aber sie liebte ihn. Und
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