Verführt von einer Lady
sehr viel angenehmerer Ort als Belgrave.
Was für eine Ironie. Eigentlich war Jack seines Erbes beraubt worden. Und doch hatte Thomas allmählich das Gefühl, als wäre er derjenige, der um etwas betrogen worden war. Nicht dass er eine angenehmere Kindheit gehabt hätte, wenn er nicht der Erbe gewesen wäre; sein Vater wäre sicher noch verbitterter gewesen, wenn sie in Nordengland gelebt hätten und er überall als Schwiegersohn eines Fabrikbesitzers bekannt gewesen wäre.
Trotzdem warf es Fragen auf. Nicht danach, was hätte sein können, aber danach, was in Zukunft sein könnte. Es war sein erklärtes Ziel im Leben, nicht so zu werden wie sein Vater, aber er hatte sich nie groß Gedanken darüber gemacht, was für eine Art Vater er selbst einmal abgeben würde.
Würden bei ihm zu Hause Miniaturen stehen, die vom Gebrauch ganz abgenutzt waren?
Natürlich setzte das voraus, dass er ein Zuhause hätte, was zurzeit noch in der Luft hing.
In diesem Augenblick tauchte vor ihnen ein kleines Dorf auf. Jack zügelte sein Pferd und starrte in die Ferne. Neugierig sah Thomas ihn an; eigentlich nahm er nicht an, dass Jack eine Rast eingeplant hatte.
„Ist es das?“, fragte er.
Jack nickte, und sie setzten sich wieder in Bewegung.
Während sie sich dem Dorf näherten, sah Thomas sich eifrig um. Es war ein gepflegter Ort. An der kopfsteingepflasterten Straße reihte sich Ladenfront an Privathaus. Hier war ein Strohdach zu sehen, dort ein Fachwerkbau … es sah hier nicht anders aus als in anderen Dörfern auf den Britischen Inseln.
„Zur Kirche geht es da entlang“, sagte Jack und deutete mit dem Kopf.
Thomas folgte ihm die Hauptstraße entlang, bis sie die Kirche erreicht hatten. Es handelte sich dabei um ein schlichtes Gebäude aus grauem Stein mit schmalen Spitzbogenfenstern. Sie wirkte uralt, und er dachte unwillkürlich, dass es nett sein musste, sich darin trauen zu lassen.
Im Moment lag sie jedoch verlassen da. „Sieht nicht so aus, als wäre jemand in der Nähe“, sagte er.
Jack schaute zu einem kleineren Gebäude links der Kirche hinüber. „Das Register befindet sich vermutlich im Pfarrhaus.“
Thomas nickte. Sie stiegen ab, banden ihre Pferde an einen Pfosten und begaben sich zum Pfarrhaus. Sie mussten ein paarmal klopfen, ehe von innen Schritte ertönten.
Die Tür ging auf und zeigte eine Frau in mittleren Jahren, anscheinend die Haushälterin.
„Guten Tag, Madam“, sagte Jack und verbeugte sich höflich. „Ich bin Jack Audley, und das hier ist …“
„Thomas Cavendish“, unterbrach Thomas und ignorierte Jacks überraschten Blick. Es wäre ihm habgierig vorgekommen, sich während der letzten Minuten, die er noch gültig war, mit seinem vollen Titel vorzustellen.
Jack sah aus, als wollte er mit den Augen rollen. Stattdessen wandte er sich zur Haushälterin und sagte: „Wir möchten das Kirchenregister einsehen.“
Sie starrte sie eine Weile an und deutete dann mit dem Kinn nach hinten. „Das ist im Hinterzimmer“, erklärte sie. „Im Büro des Pfarrers.“
„Ähm, ist der Pfarrer auch da?“, erkundigte Jack sich.
Thomas rammte ihm den Ellbogen in die Seite. Meine Güte, musste er jetzt um Gesellschaft bitten?
Doch falls die Haushälterin ihre Anfrage verblüffend fand, ließ sie es sich nicht anmerken. „Zurzeit haben wir keinen Pfarrer“, sagte sie in gelangweiltem Ton. „Der Posten ist unbesetzt.“ Sie ging zum Sofa und setzte sich. „Wir sollen ja bald einen neuen kriegen. Bis dahin schicken sie uns jeden Sonntag jemanden von Enniskillen, der uns die Predigt hält.“
Sie nahm einen Teller mit Toast und kehrte ihnen den Rücken zu. Thomas interpretierte dies als Aufforderung, das Arbeitszimmer zu betreten, und ging hinein. Jack folgte ihm auf dem Fuß.
An der Wand, die dem Kamin gegenüberlag, befanden sich mehrere Regale, also begann Thomas dort. Diverse Bibeln, Predigtbände, Gedichte … „Weißt du, wie ein Kirchenregister aussieht?“, fragte er. Auf dem Herritt hatten sie beschlossen, auf weitere Förmlichkeiten zwischen sich zu verzichten, nachdem an ihrer Verwandtschaft ja nicht mehr zu rütteln war.
Jack antwortete nicht. Thomas wollte ihn nicht weiter bedrängen und setzte die Suche fort.
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