Verführt von einer Lady
einfach viel zu edelmütig“, sagte Jack beißend.
„Man tut, was man kann“, brummte Thomas in sich hinein. Er legte das Buch auf den Schreibtisch und schlug die erste Seite auf. Jack stand neben ihm, und gemeinsam betrachteten sie die saubere Kursivschrift des Pfarrers von Maguiresbridge, im Jahre des Herrn 1786.
Thomas schluckte nervös. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Aber er musste das tun. Es war seine Pflicht. Wyndham gegenüber.
Bestand daraus nicht sein ganzes Leben? Aus seinen Verpflichtungen gegen Wyndham?
Beinahe hätte er gelacht. Wenn er sich je hätte vorwerfen lassen müssen, dass er es mit der Pflicht zu weit trieb …
Dann wäre wohl dies hier gemeint.
Er blätterte weiter, bis er das entsprechende Jahr gefunden hatte. „Weißt du, in welchem Monat deine Eltern geheiratet haben könnten?“, fragte er Jack.
„Nein.“
Egal, dachte Thomas. Die Gemeinde war klein, es hatte dort nicht allzu viele Hochzeiten gegeben.
Patrick Colville und Emily Kendrick, 20. März 1790
William Figley und Margaret Plowright, 22. Mai 1790
Er strich mit den Fingern an der Seite entlang, schob sie unter die Ecke. Mit angehaltenem Atem blätterte er um.
Und da waren sie.
John Augusta Cavendish und Louise Henrietta Galbraith, getraut am 12. Juni 1790, bezeugt von einem gewissen Henry Wickham und von Philip Galbraith.
Thomas schloss die Augen.
Das also war es. Er hatte es verloren. Alles, was ihn ausmachte, alles, was er besaß …
Verloren. Alles.
Und was war übrig?
Er öffnete die Augen und sah auf seine Hände. Sein Körper. Seine Haut und sein Blut, seine Muskeln und seine Knochen.
Genügte das?
Selbst Amelia hatte er verloren. Sie würde Jack heiraten oder irgendeinen anderen Kerl mit vergleichbarem Titel und ihre Tage als Frau eines anderen beschließen.
Es tat weh. Es brannte. Thomas konnte nicht fassen, wie sehr es brannte.
„Wer ist Philip?“, fragte er und sah auf das Register. Denn Galbraith war der Mädchenname von Jacks Mutter gewesen.
„Was?“
Thomas sah Jack an. Er hatte das Gesicht in die Hände gestützt.
„Philip Galbraith. Er war Trauzeuge.“
Jack sah auf. Und dann wieder hinab auf das Register. „Der Bruder meiner Mutter.“
„Lebt er noch?“ Thomas wusste nicht, warum er überhaupt fragte. Der Beweis, dass Jacks Eltern verheiratet gewesen waren, lag direkt vor ihm, er würde das nicht anfechten.
„Ich weiß nicht. Als ich das letzte Mal von ihm gehört habe, schon. Das ist jetzt fünf Jahre her.“
Thomas schluckte und sah auf, starrte blicklos in den Raum. Er fühlte sich seltsam, beinahe schwerelos, als wäre sein Blut plötzlich dünner geworden. Seine Haut prickelte, und …
„Reiß es raus.“
Erschrocken sah Thomas zu Jack hin. Er musste sich verhört haben. „Was, bitte, hast du gesagt?“
„Reiß es raus.“
„Bist du übergeschnappt?“
Jack schüttelte den Kopf. „Du bist der Herzog.“
Traurig sah Thomas auf das Register hinab, und in diesem Augenblick nahm er sein Schicksal wirklich an. „Nein“, erwiderte er leise. „Bin ich nicht.“
„Nein.“ Jack packte ihn bei den Schultern. Sein Blick war wild, panisch. „Du bist, was Wyndham braucht. Was alle brauchen.“
„Hör auf, du …“
„Hör mir zu“, flehte Jack. „Du bist für die Rolle geboren und erzogen worden. Ich mache nur alles kaputt. Verstehst du? Ich kann es nicht tun. Ich kann nicht.“
Jack fürchtete sich. Das war ein gutes Zeichen, sagte Thomas sich. Nur ein dummer – oder überaus oberflächlicher – Mensch würde nichts sehen als den Reichtum und das Ansehen. Wenn Jack genug erkannte, um Angst zu empfinden, war er Manns genug für diese Position.
Und so schüttelte er nur den Kopf und sah Jack eindringlich in die Augen. „Möglich, dass ich dazu erzogen worden bin. Aber du wurdest dazu geboren. Und ich kann mir nicht nehmen, was dir gehört.“
„Ich will es aber nicht!“, platzte Jack heraus.
„Es ist nicht an dir, es anzunehmen oder abzulehnen“, erwiderte Thomas. „Verstehst du nicht? Es geht nicht um Besitz. Es geht darum, wer du bist.“
„Ach, um Himmels willen“, fluchte Jack. Seine Hände zitterten. Er zitterte am ganzen Leib. „Ich gebe es dir. Ich überreiche es dir auf dem Silbertablett. Du bleibst der Duke, und ich lass dich in Ruhe. Ich werde dein Kundschafter auf den Äußeren Hebriden sein. Was auch immer. Reiß einfach die Seite raus.“
„Wenn du den Titel nicht wolltest, warum hast du anfangs nicht einfach gesagt, deine
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