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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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Erinnerung durch den Kopf. Sieben war er damals gewesen, oder acht. Er hatte für sie ein kleines Blumensträußchen gepflückt. Sein Vater war zornig gewesen, da die Blumen Teil eines ausgeklügelten Gartenplans waren und deswegen nicht gepflückt werden sollten. Aber seine Mutter hatte gelächelt. Direkt vor seinem Vater hatte sich ihre Miene aufgehellt, und sie hatte gelächelt.
    Seltsam, dass er all die Jahre nicht mehr daran gedacht hatte.
    „Sie hat selten gelächelt“, sagte er leise. „Fast nie.“
    Sie war gestorben, als er zwanzig war, gerade eine Woche vor ihrem Mann. Sie waren beide einer Lungenentzündung zum Opfer gefallen. Es war ein schrecklicher Tod gewesen, sie hatten sich vor Husten aufgebäumt, ihre Augen waren glasig vor Erschöpfung und Schmerz gewesen. Der Arzt, nicht gerade bekannt für zartfühlende Formulierungen, hatte erklärt, sie ertränken in ihrem eigenen Schleim. Für Thomas war es immer eine schreckliche Ironie des Schicksals gewesen, dass seine Eltern, die sich ein Leben lang aus dem Weg gegangen waren, zum Schluss zusammen gestorben waren.
    Und sein Vater hatte ihr ein letztes Mal Vorwürfe gemacht. „Das ist alles ihre Schuld“, waren tatsächlich seine letzten Worte gewesen.
    „Deswegen sitzen wir jetzt hier“, sagte er plötzlich und lächelte Amelia ironisch an. „Zusammen.“
    „Wie bitte?“
    Er zuckte mit den Schultern, als spielte das alles keine Rolle. „Ihre Mutter sollte Charles Cavendish heiraten, wussten Sie das?“
    Sie nickte.
    „Er starb vier Monate vor der Hochzeit“, sagte er leise und emotionslos, als würde er von etwas berichten, was er in der Zeitung gelesen hatte. „Mein Vater war immer der Ansicht, dass Ihre Mutter eigentlich ihn hätte heiraten sollen.“
    Überrascht sah Amelia ihn an. „Ihr Vater hat meine Mutter geliebt?“
    Thomas lachte bitter. „Mein Vater hat überhaupt niemanden geliebt. Aber die Familie Ihrer Mutter war ebenso alt und vornehm wie seine eigene.“
    „Älter“, erwiderte Amelia lächelnd, „aber nicht so vornehm.“
    „Wenn mein Vater gewusst hätte, dass er einmal den Titel erben würde, hätte er meine Mutter nie geheiratet.“ Er warf ihr einen unergründlichen Blick zu. „Er hätte Ihre geheiratet.“
    Amelia öffnete den Mund, um etwas Tiefgründiges und Prägnantes zu sagen, zum Beispiel: „Oh!“, aber er fuhr bereits fort.
    „Jedenfalls war das der Grund, warum er es so eilig hatte, mich mit Ihnen zu verloben.“
    „Eigentlich hätte es Elizabeth sein sollen“, sagte Amelia leise, „aber mein Vater wollte, dass seine Älteste den Sohn seines besten Freundes heiratet. Der ist allerdings gestorben, daher musste Elizabeth nach London und dort nach einer guten Partie suchen.“
    „Mein Vater war fest entschlossen, die Familien in der nächsten Generation miteinander zu verbinden.“ Thomas lachte, aber es schwang ein unbehaglicher Ton darin mit. „Um die bedauernswerte Verwässerung der Blutlinien zu korrigieren, die meine Mutter verursacht hatte.“
    „Ach, nun seien Sie nicht albern“, sagte Amelia, obwohl sie das Gefühl hatte, dass er keineswegs albern war. Sie empfand großes Mitleid mit dem kleinen Jungen, der in einem so unglücklichen Haushalt hatte aufwachsen müssen.
    „O nein“, versicherte er ihr, „er hat das ziemlich oft gesagt. Ich müsse mir eine adelige Braut suchen und dafür sorgen, dass meine Söhne dasselbe täten. Es würde Generationen dauern, bis die Blutlinien wieder rein wären.“ Er grinste sie an, doch seine Miene war furchtbar. „Sie, meine Liebe, waren dazu auserkoren, uns zu retten, und das im zarten Alter von sechs Monaten.“
    Amelia wandte den Blick ab, versuchte das alles zu begreifen. Kein Wunder, dass er so wenig darauf erpicht gewesen war, ein Datum für die Hochzeit festzusetzen. Wie sollte er sie auch heiraten wollen, unter diesen Umständen?
    „Schauen Sie nicht so düster“, sagte er, und als sie sich zu ihm wandte, streckte er die Hand aus und berührte ihre Wange. „ Sie können schließlich nichts dafür.“
    „Sie aber auch nicht“, erwiderte sie und versuchte dem Drang zu widerstehen, sich in seine Hand zu schmiegen.
    „Nein“, murmelte er, „wohl nicht.“
    Und dann beugte er sich vor, und sie beugte sich vor … weil sie es sich einfach nicht verkneifen konnte, und dann schwankte die Kutsche ein wenig, und er streifte ihre Lippen mit den seinen.
    Ein Prickeln überlief sie. Sie seufzte. Und wäre gern in einem weiteren Kuss versunken, doch

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