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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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diesmal ratterten sie über eine besonders hohe Bodenwelle, und sie wurden beide in die Polster zurückgeworfen.
    Amelia stieß ein enttäuschtes Schnauben aus. Beim nächsten Mal würde sie sich so hinsetzen, dass sie auf seiner Seite landete. Das wäre herrlich, und selbst wenn sie sich in einer skandalösen Position wiederfände, wäre sie daran (fast) unschuldig.
    Aber Thomas sah schrecklich aus. Seine Haut war schon nicht mehr grün, sie war grau. Der arme Mann.
    „Geht es Ihnen gut?“, fragte sie und rutschte ein Stückchen, damit sie ihm nicht länger direkt gegenübersaß.
    Er sagte etwas, doch sie glaubte, sich verhört zu haben, denn es klang wie: „Ich brauche einen Rettich.“
    „Wie bitte?“
    „Ich würde Sie ja gern noch einmal küssen“, sagte er, und es klang verschmitzt, gleichzeitig aber auch ein wenig zittrig, „nur bin ich mir ziemlich sicher, dass Sie es nicht zu schätzen wüssten.“
    Während sie noch über ihre Antwort nachdachte, fügte er hinzu: „Den nächsten Kuss, meine ich …“
    Kurzes Schweigen, dann ein Aufstöhnen, beides von einer weiteren Bodenwelle verursacht.
    Er räusperte sich. „Den nächsten Kuss werden Sie zu schätzen wissen. Das, Amelia, ist ein Gelübde.“
    Bestimmt hatte er recht, denn allein von der Bemerkung lief es ihr heiß und kalt den Rücken hinunter.
    Sie schlang die Arme um den Oberkörper und sah zum Fenster hinaus. Die Kutsche war langsamer geworden und fuhr nun in den kleinen Hof der Poststation ein. Das Happy Hare stammte aus der Tudor-Zeit und war ein einladender schwarz-weißer Fachwerkbau mit leuchtend rot und gelb bepflanzten Blumenkästen vor jedem Fenster. Vom hervorragenden Obergeschoss hing ein rechteckiges Wirtshausschild, auf dem der namensgebende Hase abgebildet war, komplett mit elisabethanischem Wams und Halskrause.
    Amelia fand das reizend und wollte sich schon dementsprechend äußern, doch Thomas machte sich bereits ans Aussteigen.
    „Sollten Sie nicht wenigstens warten, bis die Kutsche ganz zum Stehen gekommen ist?“, fragte sie milde.
    Er hielt inne, die Hand schon auf dem Türgriff, und verharrte schweigend, bis die Kutsche stand. „Es dauert nur einen Augenblick“, sagte er und sah sie kaum dabei an.
    „Ich glaube, ich komme mit“, erwiderte sie.
    Er erstarrte, bevor er langsam den Kopf wandte. „Würden Sie nicht lieber in der bequemen Kutsche warten?“
    Wenn das ein Versuch sein sollte, ihr die Neugierde zu nehmen, stellte er es falsch an.
    „Ich möchte mir gern die Beine vertreten“, sagte sie und setzte ihr liebstes ausdrucksloses Lächeln auf. Sie hatte es bei ihm schon Dutzende Male eingesetzt, allerdings nicht mehr, seit sie sich ein wenig kennengelernt hatten. Sie war sich nicht sicher, ob es noch klappen würde.
    Er sah sie einen langen Augenblick an, offenbar verwirrt angesichts ihres gelassenen Verhaltens.
    Wie am Schnürchen, entschied sie. Sie blinzelte ein paarmal – nicht zu spröde oder zu offensichtlich, nur ein bisschen Wimperngeklimper, als wartete sie geduldig auf seine Antwort.
    „Na schön“, sagte er und klang dabei auf eine Art resigniert, die sie von ihm gar nicht kannte. Er bekam schließlich immer, was er wollte, warum sollte er also je resigniert klingen?
    Seine Bewegungen waren weitaus weniger elastisch als sonst, als er aus der Kutsche kletterte und ihr dann die Hand entgegenstreckte, um ihr behilflich zu sein. Sie ergriff sie und stieg ebenfalls aus. Dann nahm sie sich einen Augenblick Zeit, um ihre Röcke glatt zu streichen und dem Gasthof einen prüfenden Blick zuzuwerfen.
    Sie war noch nie im Happy Hare gewesen. Natürlich war sie schon oft daran vorbeigefahren. Es lag an der Hauptstraße, und bis auf die zwei Londoner Saisons hatte sie ihr gesamtes Leben in dieser Ecke von Lincolnshire verbracht. Aber sie war nie hineingegangen. Es war eine Poststation und als solche in erster Linie für Reisende gedacht. Außerdem würde ihre Mutter niemals einen Fuß in ein derartiges Etablissement setzen. Auf dem Weg nach London gab es überhaupt nur drei Gasthöfe, zu deren Besuch sie sich herablassen konnte, was das Reisen ein wenig schwierig machte.
    „Kommen Sie oft hierher?“, fragte Amelia und hängte sich bei ihm ein, als er ihr den Arm bot. Sie fand es erstaunlich aufregend, Arm in Arm mit ihrem Verlobten zu gehen, beinah als wären sie jung verheiratet und auf irgendeinem Ausflug, nur sie beide.
    „Ich bin mit dem Gastwirt befreundet“, erwiderte er.
    Verwundert sah sie ihn an.

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