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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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sich wie ein altes Ehepaar. Nicht dass er alte Ehepaare je bei etwas anderem beobachtet hätte, als sich zu beleidigen (sein Vater) und es hinzunehmen (seine Mutter), aber Grace hatte ihm erzählt, dass sich ihre Eltern wunderbar zugetan gewesen waren, und nach dem, was er von Lord und Lady Crowland – Amelias Eltern – gesehen hatte, kamen sie wohl auch recht gut miteinander aus. Zumindest schien keiner von dem Wunsch besessen, den anderen tot zu sehen.
    „Mögen Ihre Eltern einander?“, fragte er recht unvermittelt.
    Sie blinzelte mehrmals hintereinander, offenbar überrascht von diesem abrupten Themenwechsel. „Meine Eltern?“
    „Kommen sie miteinander aus?“
    „Ja, ich denke schon.“ Sie überlegte, wobei sie die Stirn ganz bezaubernd in Falten legte. „Sie verbringen nicht besonders viel Zeit miteinander – ihre Interessen überschneiden sich so gut wie gar nicht –, aber ich glaube schon, dass sie sich gernhaben. Ehrlich gesagt habe ich darüber noch nicht nachgedacht.“
    Nach großer Leidenschaft klang das nicht gerade, aber es unterschied sich dennoch so grundlegend von seinen eigenen Erfahrungen, dass Thomas unwillkürlich fasziniert war.
    Sie musste ihm sein Interesse angesehen haben, denn sie fuhr fort: „Vermutlich kommen sie gut miteinander aus. Wenn nicht, hätte ich wohl eher darüber nachdenken müssen, nicht?“
    Er dachte an die endlosen Stunden, die er mit Nachdenken über seine Eltern vergeudet hatte, und nickte. Bei aller Unschuld und Arglosigkeit konnte sie außergewöhnlich scharfsichtig sein.
    „Meine Mutter nörgelt manchmal ein bisschen“, sagte sie. „Na ja, mehr als nur ein bisschen. Aber meinem Vater scheint das nichts auszumachen. Er weiß, es kommt nur daher, dass sie es als ihre Pflicht ansieht, ihre Töchter gut zu versorgen. Was er natürlich auch will. Er möchte nur nicht in die ganzen Details verwickelt werden.“
    Thomas nickte zustimmend. Er konnte sich vorstellen, dass Töchter unglaublich viel Arbeit machten.
    „Ein paar Minuten spielt er mit“, fuhr Amelia fort, „weil er weiß, wie wichtig ihr das Publikum ist, aber dann schüttelt er meist den Kopf und zieht sich zurück. Ich glaube, am glücklichsten ist er draußen bei seinen Hunden.“
    „Seinen Hunden?“
    „Er hat fünfundzwanzig.“
    „Lieber Himmel!“
    Sie verzog das Gesicht. „Wir versuchen schon andauernd, ihn davon zu überzeugen, dass es ein bisschen übertrieben ist, aber er behauptet, ein Mann mit fünf Töchtern hätte fünfmal so viele Hunde verdient.“
    Er verscheuchte das innere Bild, das bei dieser Neuigkeit in ihm aufstieg. „Bitte sagen Sie, dass keiner davon zu Ihrer Mitgift gehört.“
    „Schauen Sie lieber nach“, sagte sie mit vergnügt funkelndem Blick. „ Ich habe die Verlobungspapiere ja nie gesehen.“
    Er sah ihr einen langen Augenblick in die Augen und sagte dann: „Also nicht.“ Aber sie behielt ihre ausdruckslose Miene so lange bei, dass er hinzufügte: „Hoffe ich.“
    Sie lachte. „Er könnte sich nie von ihnen trennen. Bei mir ist er, glaube ich, ganz froh, wenn er mich los ist, aber seine Hunde … niemals.“ Nach einer kleinen Pause fragte sie: „Sind Ihre Eltern denn gut miteinander ausgekommen?“
    Seine Miene verdüsterte sich, und sein Kopf begann wieder zu dröhnen. „Nein.“
    Eine Weile sah sie ihn forschend an. Er war sich nicht sicher, ob er wissen wollte, was sie in seinem Gesicht entdeckte, denn ihr Blick war beinahe mitleidig, als sie sagte: „Das tut mir leid.“
    „Kein Grund“, sagte er energisch. „Es ist vorbei, sie sind beide tot, man kann jetzt nichts mehr daran ändern.“
    „Aber …“ Sie hielt inne; ihr Blick war ein wenig traurig. „Ach, egal.“
    Er wollte ihr nichts von seiner Kindheit erzählen. Er hatte nie über seine Eltern gesprochen, nicht einmal mit Harry, obwohl der alles mitbekommen hatte. Aber Amelia saß so still da, mit einem so verständnisvollen Blick, obwohl sie … nun ja, sie könnte es nie verstehen, bei ihrer herrlich langweiligen, traditionellen Familie. Aber in ihren Augen lag ein gewisser Ausdruck, warm und willig, der ihm das Gefühl verlieh, als würde sie ihn bereits kennen, als hätte sie ihn immer gekannt und wartete nur darauf, dass auch er sie kennenlernte.
    „Mein Vater hat meine Mutter gehasst.“ Die Worte waren ihm entschlüpft, ehe er sich dessen überhaupt bewusst war.
    Ihre Augen weiteten sich, doch sie schwieg.
    „Er hasste alles, wofür sie stand. Sie war eine Neureiche, ein

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