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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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wiederholte sie und konnte es einfach nicht fassen. Aber niemand hatte sie gehört. Es war nur ein Flüstern gewesen. Das entsetzte Flüstern einer Frau, die keiner zu bemerken schien.
    Sie sahen sie nicht an. Keiner. Nicht einmal Grace.
    Und im nächsten Moment drehte sich ihr Vater um, sah Mr. Audley an und deutete mit dem Finger auf ihn. „Wenn dem so ist“, sagte er, „wenn Sie tatsächlich der Duke of Wyndham sind, dann werden eben Sie sie heiraten.“
    In dieser Nacht und für viele Wochen in jeder weiteren Nacht durchlebte Amelia diesen Moment noch einmal in der Erinnerung. Sie sah, wie ihr Vater sich umdrehte, mit dem Finger zeigte. Sie sah, wie seine Lippen die Worte formten. Hörte seine Stimme. Sah die schockierten Blicke der anderen.
    Sah das Entsetzen in Mr. Audleys Miene.
    Und bei jedem neuen Durchgang sagte sie etwas anderes. Irgendetwas Kluges oder etwas Scharfes. Manchmal etwas Witziges, manchmal etwas Wütendes. Aber immer irgendetwas.
    In Wirklichkeit sagte sie jedoch gar nichts. Kein Wort. Ihr eigener Vater versuchte, sie einem Mann aufzudrängen, den sie nicht kannte, und das vor lauter Leuten, die sie kannte, und sie sagte dazu …
    Nichts.
    Sie keuchte nicht einmal. Sie spürte, wie ihr Gesicht zu einer furchtbaren Grimasse erstarrte, gefangen in ewiger Qual. Ihr blieb der Mund offen stehen, und ihre Lippen verwandelten sich zu Stein, ihr Gesicht gefror in einer scheußlichen Maske des Schreckens.
    Aber sie gab keinen Ton von sich. Vermutlich war ihr Vater sehr stolz auf sie, dass sie nicht die Nerven verloren hatte.
    Mr. Audley schien ähnlich betroffen, fasste sich aber weitaus schneller wieder. Die ersten Worte aus seinem Mund waren allerdings auch nur: „Oh.“ Gefolgt von: „Nein.“
    Amelia befürchtete, dass sie sich jeden Augenblick übergeben könnte.
    „O doch“, warnte ihr Vater ihn. Den Ton kannte sie. Er benutzte ihn nicht oft, aber wenn, dann widersetzte sich keiner mehr. „Sie werden sie heiraten, und wenn ich Sie mit meiner Donnerbüchse vor den Altar zwingen muss.“
    „Vater“, rief sie, und ihre Stimme brach fast bei dem Wort. „Das kannst du nicht machen!“
    Doch er achtete gar nicht auf sie und trat voll Zorn einen weiteren Schritt auf Mr. Audley zu. „Meine Tochter ist mit dem Duke of Wyndham verlobt“, zischte er, „und sie wird den Duke of Wyndham auch heiraten.“
    „Ich bin nicht der Duke of Wyndham“, erklärte Mr. Audley.
    „Noch nicht“, erwiderte ihr Vater. „Vielleicht nie. Aber ich werde anwesend sein, wenn die Wahrheit herauskommt. Und ich werde dafür sorgen, dass sie den richtigen Mann heiratet.“
    „Das ist doch verrückt“, rief Mr. Audley aus. Er war sichtlich verstört, und Amelia hätte beinahe gelacht, weil alles so schrecklich war. Was für ein Anblick – ein Mann in Panik bei dem bloßen Gedanken, sie heiraten zu müssen.
    Allmählich begann sie sich zu fühlen wie eine Aussätzige.
    „Ich kenne sie nicht einmal“, sagte Mr. Audley.
    Worauf ihr Vater erwiderte: „Das tut kaum etwas zur Sache.“
    „Sie sind tatsächlich verrückt“, rief Mr. Audley aus. „Ich werde sie nicht heiraten.“
    Amelia bedeckte Mund und Nase mit den Händen und atmete tief durch. Ihr war schwindelig. Sie wollte jetzt nicht weinen. Was auch kam, das wollte sie auf keinen Fall.
    „Verzeihen Sie, Mylady“, murmelte Mr. Audley in ihre Richtung. „Es ist nicht gegen Sie gerichtet.“
    Amelia brachte es tatsächlich fertig zu nicken. Nicht anmutig, aber vielleicht gnädig. Warum sagten die anderen alle nichts? Warum fragten sie sie nicht nach ihrer Meinung?
    Warum konnte sie nicht für sich eintreten?
    Ihr kam es so vor, als beobachtete sie die anderen von weit, weit weg. Sie würden sie nicht hören. Sie könnte schreien und kreischen, so viel sie wollte, niemand würde sie hören.
    Sie sah zu Thomas. Der blickte starr geradeaus, wie versteinert.
    Dann schaute sie zu Grace. Grace würde ihr doch bestimmt zu Hilfe eilen. Sie war eine Frau. Sie wusste, was es bedeutete, wenn einem der Boden unter den Füßen weggerissen wurde.
    Und zuletzt wieder zu Mr. Audley, der immer noch um Argumente rang, die verhinderten, dass sie ihm aufgebürdet wurde.
    „Ich habe mich nicht einverstanden erklärt“, sagte er. „Ich habe keinen Vertrag unterzeichnet.“
    „Er auch nicht“, erwiderte ihr Vater und nickte in Wyndhams Richtung. „Das hat sein Vater getan.“
    „In seinem Namen!“ Mr. Audley schrie beinahe.
    Aber ihr Vater zuckte mit keiner Wimper. „Da

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