Verführt von einer Lady
Belgrave. Ich habe ihn neulich kennengelernt, als ich Grace besucht habe.“
„Wo ist Grace eigentlich?“, fragte Thomas sich laut. Sonst waren sie alle da. Es schien fast unfreundlich, sie auszuschließen.
„In der Eingangshalle“, erklärte Audley und warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. „Ich bin gerade …“
„Sicher, sicher“, unterbrach Thomas ihn. Er wandte sich wieder an Lord Crowland: „Also dann. Sie erkundigen sich nach meinen Absichten.“
„Vielleicht ist jetzt nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt“, sagte Amelia nervös. Thomas unterdrückte ein scharfes Gefühl der Reue. Sie glaubte, nur eine Zurückweisung abzuwehren, während die Wahrheit noch weitaus schlimmer war.
„Doch“, sagte er langsam und betont, als überlegte er sich die Sache. „Gut möglich, dass dies unsere einzige Chance ist.“
Warum hielt er es geheim? Was hatte er davon? Warum sollte er die ganze verdammte Angelegenheit nicht einfach offenlegen?
In diesem Augenblick betrat Grace den Raum. „Sie wollten mich sehen, Euer Gnaden?“
Überrascht hob Thomas die Brauen und sah sich im Raum um. „Habe ich derart laut gesprochen?“
„Der Lakai hat Sie gehört …“ Sie hielt inne und deutete hinaus auf den Flur, wo der lauschende Lakai vermutlich immer noch stand.
„Kommen Sie doch herein, Miss Eversleigh“, sagte er und streckte ihr freundlich den Arm entgegen. „Sie können dieser Farce genauso gut beiwohnen.“
Grace runzelte besorgt die Stirn, kam aber in den Raum und nahm in der Nähe des Fensters Platz – in einigem Abstand zu allen anderen.
„Ich verlange Aufklärung darüber, was hier geschieht“, erklärte Lord Crowland.
„Natürlich“, versetzte Thomas. „Wie unhöflich von mir. Wo sind nur meine Manieren geblieben? Wir hatten eine recht aufregende Woche auf Belgrave. Sie überstieg meine wildesten Vorstellungen.“
„Was soll das heißen?“, fragte Crowland knapp.
Thomas warf ihm einen ausdruckslosen Blick zu. „Ah ja. Vermutlich sollten Sie wissen, dass dieser Mann hier …“, Thomas deutete auf Jack, „… mein Vetter ist. Vielleicht ist er sogar der rechtmäßige Duke.“ Er wandte den Blick nicht von Lord Crowland und zuckte unverschämt mit den Achseln. Beinahe hätte er es genossen. „Wir sind noch nicht sicher.“
14. KAPITEL
„Ach du lieber Gott.“
Amelia starrte Thomas an, und dann Mr. Audley, dann wieder Thomas, und dann …
Alle sahen sie jetzt an. Warum schauten sie alle auf sie? Hatte sie etwas gesagt? Hatte sie es laut ausgesprochen?
„Diese Irlandreise …“, sagte ihr Vater gerade.
„Soll feststellen, ob er ehelich geboren ist“, erklärte Thomas. „Wir sind eine ziemlich große Gesellschaft. Sogar meine Großmutter ist mit von der Partie.“
Amelia starrte ihn entsetzt an.
Er war nicht er selbst. Das hier war falsch. Das alles war vollkommen falsch.
Das, was gerade geschah, konnte nicht geschehen. Sie schloss die Augen. Ganz fest.
Bitte sag doch jemand, dass das alles gar nicht passiert.
Die grimmige Stimme ihres Vaters übertönte ihre Gedanken. „Wir kommen auch mit“, erklärte er.
Sie riss die Augen auf. „Vater?“
„Halt du dich da raus, Amelia“, sagte er. Er sah sie dabei nicht einmal an.
„Aber …“
„Ich versichere Ihnen“, mischte Thomas sich ein, und auch er sah sie nicht an, „dass wir uns möglichst rasch Gewissheit verschaffen und dann so schnell wie möglich zu Ihnen zurückkehren wollen.“
„Es geht um die Zukunft meiner Tochter“, erwiderte ihr Vater hitzig. „Ich will bei der Sichtung der Papiere dabei sein.“
Thomas’ Stimme wurde eisig. „Glauben Sie, dass wir versuchen könnten, Sie zu täuschen?“
Amelia tat einen Schritt auf sie zu. Warum redete keiner mit ihr?
Glaubten sie, sie sei unsichtbar? Hätte in dieser schrecklichen Geschichte nichts zu melden?
„Ich will nur die Rechte meiner Tochter wahren.“
„Vater, bitte.“ Amelia legte ihm die Hand auf den Arm. „Bitte, nur einen Augenblick.“
„Ich habe gesagt, du sollst dich da raushalten!“, schrie ihr Vater und riss den Arm hoch. Diese Reaktion hatte Amelia nicht erwartet. Sie geriet ins Stolpern und fiel gegen ein Beistelltischchen.
Sofort war Thomas an ihrer Seite, nahm ihren Arm und half ihr wieder auf die Beine. „Entschuldigen Sie sich bei Ihrer Tochter“, sagte er, und sein Ton war tödlich.
Ihr Vater war wie benommen. „Wovon zum Teufel reden Sie?“
„Entschuldigen Sie sich!“, brüllte Thomas.
„Euer Gnaden“,
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