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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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Vater“, sagte Thomas zu Mr. Audley. „Wenn Ihre Eltern verheiratet waren, dann wären Sie nach dem Tod des fünften Herzogs der Erbe gewesen. Mein Vater – und ich – wären in der Erbfolge gar nicht aufgetaucht.“
    „Demnach wäre ich Nummer sechs.“
    „Genau“, bestätigte Thomas angespannt.
    „Dann bin ich nicht an den Vertrag gebunden“, erklärte Mr. Audley. „Kein Gericht in England würde mich auf den Vertrag festlegen. Vermutlich auch dann nicht, wenn ich der siebte Herzog wäre.“
    „Sie sollten sich nicht an ein weltliches Gericht wenden“, sagte Thomas leise, „sondern an den Richtspruch Ihrer eigenen moralischen Verantwortung.“
    Amelia schluckte. Wie typisch für ihn, so aufrecht und wahrhaftig. Wie könnte man mit einem solchen Mann streiten? Ihre Lippen begannen zu zittern, und sie sah zur Tür, überlegte, wie viele Schritte sie wohl bräuchte, um sich von diesem Ort zu entfernen.
    Mr. Audley stand stocksteif da, und als er dann sprach, waren seine Worte ebenso unbeugsam. „Ich habe nicht darum gebeten.“
    Thomas schüttelte nur den Kopf. „Ich auch nicht.“
    Amelia zuckte zurück, unterdrückte den Schmerzensschrei, der ihr in die Kehle stieg. Nein, er hatte nie darum gebeten. Weder um den Titel noch um die Ländereien, noch um die Verantwortung.
    Er hatte nie um sie gebeten.
    Natürlich hatte sie es gewusst. Sie hatte immer gewusst, dass er sie sich nicht ausgesucht hatte, aber sie hätte nie gedacht, das es so schmerzvoll wäre, es ihn sagen zu hören. Sie war nur eine weitere Last für ihn, die ihm durch seine bloße Geburt aufgebürdet worden war.
    Privilegien verpflichteten. Wie wahr.
    Amelia zog sich zurück, versuchte, sich so weit wie möglich aus der Raummitte zu entfernen. Sie wollte nicht, dass irgendwer sie bemerkte. Nicht so, mit tränenerfüllten Augen und bebenden Händen.
    Am liebsten wäre sie weggeflogen, weg aus diesem Raum, und …
    Und plötzlich spürte sie es. Eine Hand, die die ihre ergriff.
    Zuerst blickte sie nach unten, auf die ineinander verschlungenen Hände. aber dann sah sie hoch, obwohl sie schon wusste, dass es Grace war.
    Amelia sagte nichts. Sie traute ihrer Stimme nicht, konnte sich nicht einmal darauf verlassen, dass ihre Lippen die Worte formulierten, die sie sagen wollte. Doch als ihr Blick Graces Blick traf, wusste sie, dass die andere Frau ihr direkt ins Herz sehen konnte.
    Sie fasste Graces Hand fester und drückte sie.
    Nie im Leben hatte sie so dringend eine Freundin gebraucht wie in diesem Augenblick.
    Grace erwiderte den Druck.
    Und zum ersten Mal an diesem Nachmittag kam Amelia sich nicht ganz so verloren vor.

15. KAPITEL
    Vier Tage später, auf See
    Die Überfahrt gestaltete sich ungewöhnlich ruhig, zumindest sagte der Kapitän das zu Thomas, als es dunkel wurde. Thomas war dankbar darum; ihm war beim Auf und Ab der Irischen See nicht direkt körperlich schlecht geworden, aber er stand kurz davor. Noch ein wenig Wind oder Gezeiten oder was es auch war, was das kleine Schiff auf und ab tanzen ließ, und sein Magen hätte sich auf höchst unangenehme Weise zu Wort gemeldet.
    Er hatte festgestellt, dass er sich besser fühlte, wenn er an Deck blieb. Unten war die Luft zum Schneiden dick, und die Quartiere waren beengt. Oben konnte er die frische Salzluft genießen, das Brennen auf seiner Haut. Oben konnte er atmen.
    Weiter unten an der Reling sah er Jack, der dort lehnte und hinausblickte aufs Meer. Sicher war er sich bewusst, dass sein Vater hier irgendwo begraben lag. Vermutlich noch ein Stückchen näher an der irischen Küste, wenn die Mutter es an Land geschafft hatte.
    Wie es wohl war, den eigenen Vater nicht zu kennen? Thomas dachte fast, es wäre ihm auch lieber gewesen, seinen Vater nicht zu kennen, aber nach allem, was er wusste, war John Cavendish ein weitaus liebenswürdigerer Geselle gewesen als sein jüngerer Bruder Reginald.
    Ob Jack sich wohl fragte, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn der Sturm nicht gewesen wäre? Sicher wäre er dann auf Belgrave aufgewachsen. Irland wäre für ihn nur das Land, wo seine Mutter aufgewachsen war. Hin und wieder wäre er vielleicht hingefahren, aber es wäre nie seine Heimat geworden.
    Er wäre nach Eton gegangen, wie alle männlichen Cavendishs, und danach nach Cambridge. Er hätte sich im Peterhouse-College eingeschrieben, weil für das Haus Wyndham nur das älteste College gut genug war, und sein Name wäre der langen Liste von Cavendishs hinzugefügt worden, welche auf einer

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