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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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Wand in der Bibliothek standen, die die Familie vor Jahrhunderten gestiftet hatte, damals, als es noch keinen Herzog gab, sondern nur einen Earl, und die Kirche noch katholisch war.
    Was er studierte, hätte keine Rolle gespielt, ja nicht einmal, ob er überhaupt studiert hätte. Jack hätte in jedem Fall einen Abschluss bekommen, egal, was für Noten er gehabt hätte. Er wäre der Wyndham-Erbe gewesen. Thomas war sich nicht sicher, was er hätte tun müssen, um der Universität verwiesen zu werden; er glaubte nicht, dass irgendetwas unterhalb kompletten Analphabetentums ausgereicht hätte.
    Darauf wäre eine Saison in London gefolgt, genau wie bei Thomas. Jack hätte sich dort sicher blendend unterhalten, dachte Thomas trocken. Er besaß genau die Sorte lässigen Witz, die einen jungen, unverheirateten Erben eines Herzogtitels für die Damenwelt noch attraktiver machte. In die Armee hätte er selbstverständlich nicht eintreten dürfen. Und es verstand sich von selbst, dass er niemals Kutschen auf der Straße nach Lincoln ausgeraubt hätte.
    Was für einen Unterschied dieser Sturm gemacht hatte.
    Was ihn selbst anging, so hatte er keine Ahnung, was aus ihm geworden wäre. Vermutlich wäre er jetzt irgendwo im Norden, in irgendeinem Haus, das sein Großvater mütterlicherseits gestellt hätte. Wäre sein Vater ins Geschäft eingestiegen? Hätte er Fabriken geleitet? Er konnte sich kaum etwas denken, das Reginald Cavendish noch mehr verabscheut hätte.
    Was hätte er wohl mit seinem Leben angefangen, wenn er nicht als einziger Sohn eines Herzogs auf die Welt gekommen wäre? Er konnte sich diese Freiheit gar nicht vorstellen. So weit er zurückdenken konnte, war sein Leben für ihn vorausgeplant gewesen. Jeden Tag traf er Dutzende von Entscheidungen, aber die wichtigen – die, die in seinem Leben eine ausschlaggebende Rolle spielten – hatten andere für ihn gefällt.
    Vermutlich waren sie alle richtig gewesen. Es hatte ihm in Eton gefallen, und Cambridge hatte er geliebt, und selbst wenn er sein Land gern verteidigt hätte, so wie Jack – nun, es hatte den Anschein, als wäre die Königliche Armee auch ohne ihn ganz gut zurechtgekommen. Selbst Amelia …
    Er schloss kurz die Augen, ließ zu, dass das auf und ab rollende Schiff seinen Gleichgewichtssinn völlig durcheinanderbrachte.
    Selbst Amelia hätte sich am Ende als hervorragende Wahl erwiesen. Er kam sich wie ein Narr vor, dass er es so lange aufgeschoben hatte, sie kennenzulernen.
    All die Entscheidungen, die er selbst nicht hatte treffen dürfen … Er fragte sich, ob er selbst es überhaupt besser gemacht hätte.
    Vermutlich nicht.
    Am Bug sah er Grace und Amelia auf einer Bank sitzen. Sie teilten sich mit der Herzoginwitwe eine Kabine, und nachdem die alte Dame sich darin verbarrikadiert hatte, hatten sie sich entschieden, draußen zu bleiben. Lord Crowland hatte die andere Kabine bekommen. Er und Jack schliefen unten bei der Mannschaft.
    Amelia schien nicht zu bemerken, dass er sie beobachtete, vermutlich, weil die Sonne ihr in die Augen scheinen würde, wenn sie in seine Richtung blickte. Sie hatte ihren Hut abgenommen und hielt ihn in der Hand. Die langen Bänder flatterten im Wind.
    Sie lächelte.
    Das hatte er vermisst. Auf der Reise nach Liverpool hatte er sie kein einziges Mal lächeln gesehen. Vermutlich hatte sie wenig Grund dazu gehabt. Keiner von ihnen hatte einen Grund. Selbst Jack, der so viel zu gewinnen hatte, wurde immer besorgter, je näher sie Irland kamen.
    Auf ihn warteten wohl seine eigenen Dämonen, vermutete Thomas. Es musste einen Grund geben, warum er so lange nicht mehr dort gewesen war.
    Er wandte sich nach Osten. Liverpool war längst am Horizont verschwunden, außer Wasser gab es nichts zu sehen, ein Kaleidoskop aus Blau, Grün und Grau. Merkwürdig, er hatte sein Leben lang Karten betrachtet, und doch hatte es ihn nicht auf die Unendlichkeit der See vorbereitet.
    So viel Wasser. Es war schwer zu fassen.
    Dies war die längste Seereise, die er je unternommen hatte. Seltsam. Er war nie auf den Kontinent gereist. Der Kavalierstour, auf die die Generation seines Vaters noch gegangen war, hatte der Krieg ein Ende bereitet, und so hatte jede Bildungsreise, die er unternahm, auf britischem Boden stattgefunden. Die Armee war nicht infrage gekommen: Der Erbe eines Herzogtitels durfte sein Leben nicht auf fremdem Boden riskieren, so mutig und tapfer er auch sein mochte.
    Noch etwas, was anders gewesen wäre, wenn das Schiff nicht

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