Verführt von einer Lady
sagte er und rollte mit den Augen, „sollte deine erste Handlung darin bestehen, sie ins Witwenhaus zu verbannen.“
Wenn ich erst einmal Herzogin bin . Amelia schluckte unbehaglich. Es war einfach nur schrecklich, dass ihr eigener Vater ihre Zukunftsaussichten so munter betrachtete. Ihm war es anscheinend wirklich egal, wen von den beiden Männern sie heiratete, solange es sich dabei um den rechtmäßigen Herzog handelte.
Sie sah Thomas an. Er war mit Essen beschäftigt. Daher fixierte sie ihn und wartete. Und wartete … bis er ihren Blick endlich bemerkte und aufsah. Er zuckte mit den Schultern, eine Bewegung, die sie nicht zu interpretieren wusste.
Irgendwie fühlte sie sich danach noch schlechter.
Als Nächster kam Mr. Audley zum Frühstück herunter, zehn Minuten später Grace, die anscheinend heruntergerannt war, weil sie so rosig überhaucht und atemlos war.
„Schmeckt dir das Essen nicht?“, fragte Grace, während sie sich auf den kürzlich frei gewordenen Stuhl der Herzoginwitwe setzte, und sah auf Amelias Teller, den diese kaum angerührt hatte.
„Ich habe keinen Hunger“, behauptete Amelia, obwohl ihr der Magen knurrte. Aber Hunger, so erkannte sie, war nicht unbedingt dasselbe wie Appetit. Ersteren hatte sie, an Letzterem gebrach es ihr.
Grace warf ihr einen fragenden Blick zu und aß dann ihr eigenes Frühstück – oder das, was sie in den drei Minuten schaffte, bevor der Wirt hereinkam und schmerzlich in die Runde blickte.
„Ähm, Ihre Gnaden …“, begann er und wrang die Hände. „Sie wartet in der Kutsche.“
„Und scheucht Ihre Männer herum?“, erkundigte sich Thomas.
Der Wirt nickte bekümmert.
„Grace ist noch nicht mit dem Frühstück fertig“, sagte Mr. Audley kühl.
„Bitte“, bat Grace, „warten Sie nicht meinetwegen. Ich bin durchaus zufrieden …“
Sie hustete und sah dann schrecklich verlegen aus. Amelia hatte das unangenehme Gefühl, nicht eingeweiht zu sein in einen Scherz.
„Ich habe mir zu viel aufgetan“, schloss Grace schließlich und deutete auf ihren Teller, der immer noch mehr als halb voll war.
„Sind Sie sicher?“, fragte Thomas sie. Sie nickte, doch Amelia fiel auf, dass sie sich noch rasch ein paar Gabeln voll in den Mund schob, während die anderen sich bereits erhoben.
Die Männer gingen voraus, um nach den Pferden zu sehen, und Amelia wartete ein wenig, während Grace noch etwas von ihrem Frühstück hinunterschlang.
„Hungrig?“, erkundigte sie sich, nachdem sie unter sich waren.
„Am Verhungern“, bestätigte Grace. Sie wischte sich den Mund mit ihrer Serviette ab und folgte Amelia nach draußen. „Ich wollte die Herzoginwitwe nur nicht provozieren.“
Mit erhobenen Augenbrauen drehte Amelia sich zu ihr um.
„Nicht noch mehr“, verbesserte Grace sich, schließlich wussten sie beide, dass die Herzoginwitwe sich andauernd wegen diesem oder jenem provoziert fühlte. Und natürlich keifte die Herzoginwitwe schon wieder, als die beiden bei der Kutsche ankamen. Diesmal war sie nicht zufrieden mit der Temperatur des heißen Backsteins, den man ihr in der Kutsche zu Füßen gelegt hatte.
Ein heißer Backstein? Amelia wäre beinahe in sich zusammengesunken. Es war zwar kein warmer Tag, aber kalt war es auch nicht. Sie würden in der Kutsche braten.
„Die ist heute ja wieder mal in exzellenter Form“, murmelte Grace.
„Amelia!“, bellte die Herzoginwitwe.
Amelia packte Grace bei der Hand. Fest. Sie war noch nie so dankbar gewesen für die Anwesenheit einer anderen Person. Die Vorstellung, einen weiteren Tag mit der Herzoginwitwe in der Kutsche zu verbringen, und das ohne Grace …
Sie konnte es nicht ertragen.
„Lady Amelia“, wiederholte die Herzoginwitwe, „haben Sie nicht gehört, dass ich Sie gerufen habe?“
„Tut mir leid, Euer Gnaden“, versetzte Amelia und trat vor, wobei sie Grace hinter sich herzerrte. „Leider nicht.“
Die Herzoginwitwe machte schmale Augen. Sie merkte es immer, wenn man sie anlog. Aber an diesem Tag hatte sie offenbar Wichtigeres zu tun, denn sie nickte zu Grace hinüber und verkündete: „ Sie kann auf dem Kutschbock fahren.“
Und das mit der Zuneigung, die man einem Mehlwurm zeigen würde.
Grace machte schon Anstalten, den Kutschbock zu erklimmen, doch Amelia zog sie zurück. „Nein“, sagte sie zur Herzoginwitwe.
„Nein?“
„Nein. Ich möchte, dass sie mir Gesellschaft leistet.“
„Ich nicht.“
Amelia dachte daran, wie oft sie schon über Thomas’ kühle
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