Verfuehrt von so viel Zaertlichkeit
Freunde ihrer Eltern vor drei Jahren auf Abstand gegangen waren, hatten ihre es auch getan. Aber gab sich dieser Mann absichtlich so begriffsstutzig?
Eher nicht, denn seine Verständnislosigkeit schien nicht gespielt.
“Nein. Ich meinte vielmehr, was für ein Zufall, dass auch du die Smythe-Roberts kennst.”
Gabriel zuckte nur die Schultern. “,Kennen ist eigentlich zu viel gesagt. Eigentlich kannte ich nur ihre Tochter.”
Jane blickte ihn ungläubig an. Sie waren einander vor drei Jahren gar nicht begegnet! Wie konnte er da behaupten, er hätte die Tochter der Smythe-Roberts gekannt?
“Tochter?” wiederholte sie gespielt erstaunt. “Ich habe keine Tochter gesehen, als ich Samstag da war.” Das stimmte wenigstens, denn schließlich hatte sie nicht vor dem Spiegel gestanden.
Natürlich war ihr klar, dass sie log. Es schien ihr Schicksal zu sein, dass sie, die nichts so sehr hasste wie Lügen, sich in einem Lügengespinst verfangen zu haben schien.
“Das überrascht mich nicht.” Gabriel blickte zum Haus. “Möchtest du noch auf einen Drink mit reinkommen?”
Eigentlich wollte sie es nicht. Doch die Unterhaltung war einfach zu interessant, als dass sie sie jetzt so abrupt beenden wollte.
“Zu einer Tasse Kaffee sage ich nicht Nein.” Jane zog den Zündschlüssel ab und stieg aus, um Gabriel in sein Apartment zu folgen.
Sie wollte eigentlich gar keinen Kaffee, denn danach schlief sie immer so schlecht. Aber sie wollte unbedingt wissen, warum es Gabriel Vaughan nicht überraschte, dass Janette Smythe-Roberts nicht zum Hochzeitstag ihrer Eltern erschienen war.
“Koffeinfrei?” fragte Gabriel, als er die Wohnungstür öffnete und das Licht anknipste.
“Ja, bitte.” Jane folgte ihm zögernd in die Küche, die im Gegensatz zum Wohnbereich mit den antiken Möbeln hochmodern eingerichtet war. “Sie hatten also eine Romanze mit der Tochter der Smythe-Roberts?” Wer hätte besser wissen sollen als sie, dass das nicht stimmte, aber es schien ihr die beste Taktik, direkt auf ihr Ziel zuzusteuern.
“Das kann man nun wirklich nicht behaupten.” Gabriel setzte die Kaffeemaschine in Gang. “Reiche, verwöhnte kleine Mädchen waren noch nie mein Fall.”
Reiche, verwöhnte kleine Mädchen! Jane war empört. Ihre Eltern mochten sie etwas zu sehr behütet haben, aber mit der Hochzeit hatte sich ihr Leben schlagartig geändert.
“Mir kamen die Smythe-Roberts nicht besonders reich vor”, bemerkte sie beiläufig, als Gabriel ihr den Kaffee reichte und sich neben sie an den Tisch setzte.
“Mir auch nicht”, antwortete er. “Aber vor drei Jahren lebten sie noch in besten Verhältnissen. Schließlich habe ich David Smythe-Roberts seine Firma abgekauft und weiß genau, was er dafür bekommen hat. Meiner Meinung nach hat die Tochter das ganze Geld.”
Jane blickte ihn erschrocken an. Glaubte er das wirklich? War er wirklich überzeugt davon, dass Janette Granger sich alles angeeignet hatte? Dass sie ihre Eltern in Verhältnissen leben ließ, die man als ärmlich bezeichnen musste, wenn man sie an dem früheren Lebensstandard der Smythe-Roberts maß?
Wusste Gabriel nichts von den ungeheuren Spielschulden Paul Grangers und seinem Griff in die Firmenkasse, von den Schuldscheinen, die er unterschrieben und die seine Witwe geerbt hatte? Da sie damals mit ihrer Gesundheit am Ende gewesen war, hatte ihr Vater, bevor sie es hatte verhindern können, stillschweigend Pauls Schulden von dem Geld bezahlt, dass er für seine Firma erhalten hatte.
Als sie dann wieder so gesund gewesen war, um sich um geschäftliche Angelegenheiten kümmern zu können, hatte ihr Vater schon alles geregelt. Ihre Eltern hatten ihr damals nur geantwortet, sie hätte schon genug gelitten.
Gabriels Rachegelüste dagegen hatten nicht gelitten. Und die einzige Person, an der Gabriel sie damals hätte befriedigen können, war sie, Paul Grangers Witwe, gewesen. Deshalb hatte er sie unbarmherzig verfolgt.
Denn ihr tödlicher Autounfall hatte sich ereignet, als Jennifer Vaughan ihren Mann verlassen und mit Paul Granger ein neues Leben beginnen wollte…
9. KAPITEL
Jane musste schlucken. “Du meinst, dass die Tochter …?” sagte sie mühsam.
“Janette Smythe-Roberts, verheiratete Granger”, ergänzte Gabriel verächtlich.
“Willst du damit sagen, dass sie das ganze Bargeld für sich behalten hat? Dass sie zusieht, wie ihre Eltern sparen müssen?” War es das, was er mit “reichem, verwöhntem kleinem Mädchen”
umschrieben
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